Wie Satelliten unsere Mobilität beeinflussen
Zu später Stunde bei klarem Himmel bietet sich die perfekte Gelegenheit, die Augen auf das schwarzblaue Firmament über uns zu richten und sich inmitten der vielen Sterne zu vergessen. Zwischen Mond und Sternen zischt mit viel Glück eine Sternschnuppe vorbei – und vielleicht schwebt inmitten all dieser Himmelskörper plötzlich ein leuchtender Punkt durch unser Blickfeld.
Sie sind da, auch wenn wir sie meistens nicht sehen. Sie helfen uns tagtäglich, versorgen uns mit Informationen, lassen uns Wege und Ziele finden und ermöglichen Dinge, die für uns mittlerweile selbstverständlich sind – die Rede ist von Satelliten.
Diese Begleiter im All sind im wahrsten Sinne des Wortes allgegenwärtig. In beinahe jedem Land wird Satellitenforschung betrieben und kritische Stimmen fragen sich, warum so viel Geld in den Weltraum investiert wird, wo es doch auf der Erde sinnvoller erscheint.
Wir sind nun der Frage nachgegangen, wie und wobei Satelliten uns gewöhnlich Sterbliche unterstützen, wie sie unsere Mobilität beeinflussen und welches Potenzial noch in ihnen steckt.
So viel sei verraten: Das All bringt uns allen was.
Wissenschaft damals, Alltag heute
Es ist nichts Neues, dass Satelliten im Orbit unterwegs sind. Enormen Einfluss auf unseren Alltag haben sie vergleichsweise aber erst seit wenigen Jahren. Früher nutzte sie die Europäische Weltraumorganisation (ESA) vorwiegend wissenschaftlich und dementsprechend anders waren die Anforderungen an ihre Qualität und Lebensdauer. Zudem gab es die Ansprüche einer ununterbrochenen Datenübertragung noch nicht.
Das steht in starkem Kontrast zu heute, denn mittlerweile sind ganze Geschäftsmodelle auf Satelliten aufgebaut, besser gesagt die von ihnen gelieferten Daten. Die Daten müssen zu jeder Zeit lückenlos ohne Ausfallrisiko fließen, denn nur so kann eine Firma Satelliten für ihr Geschäftsmodell nutzen.
Die Himmelskörper müssen also nahtlos ersetzt werden. Und zwar zumindest in gleicher, wenn nicht sogar besserer Qualität. Daher wird bereits die Nachfolgemission geplant, noch bevor das Ende eines Geräts bevorsteht.
Nur so gelingt es, dass diese beinahe unsichtbaren Begleiter im Orbit heute unser tägliches Leben beeinflussen, ob es uns bewusst ist, oder nicht.
Wie steuern Satelliten unsere Wege?
Welchen Einfluss hat also diese Technik im extraterrestrischen Raum auf unsere Mobilität hier unten auf der Erde?
Dazu muss zunächst Grundlegendes erklärt werden: Die von Satelliten ermöglichten Services sind auf drei Hauptkategorien herunterzubrechen:
- Navigation,
- Erdbeobachtung und
- Kommunikation
Jede davon hat in irgendeiner Form mit unserer Mobilität zu tun.
1. Navigation
Navigation ist häufig das erste Service, das uns beim Stichwort Satelliten einfällt. Weltweit gibt es vier unterschiedliche Systeme, die unter dem Überbegriff GNSS (Global Navigation Satellite System) zusammengefasst sind. Begonnen hat alles in den 1960ern mit Transit, dem Vorgänger vom heutigen amerikanischen Satellitensystem GPS. Kurz nach GPS folgte das russische System GLONASS, dann die chinesische Version Beidou und schließlich das europäische System Galileo, mit ungefähr 30 Satelliten im Orbit. Galileo ist im Gegensatz zu GPS ein ziviles System, verfügt über die höchste Genauigkeit (20 cm) und Störsicherheit.
Jeder hat sein eigenes System – und das nicht ohne Grund. Gäbe es etwa nur GPS, hätte Amerika die Navigation auf der ganzen Welt in der Hand und somit auch die Möglichkeit, die Verfügbarkeit nach Belieben zu beschränken.
Satelliten allein ermöglichen aber noch keine Navigation. So ein System besteht aus drei Komponenten: Die Raumkomponente, also die Satelliten im Orbit, die Bodenkomponente, das sind die Empfänger am Boden, die mit den Satelliten in Kontakt stehen, und schlussendlich die menschliche Komponente, die Nutzerinnen und Nutzer, die mit Navigationsapps Satellitensignale nutzen.
Diese schwebenden Geräte senden ständig Informationen – empfangen werden diese allerdings nur, sobald sie "getrackt" werden. Erst dann empfängt ein Endgerät, also beispielsweise das Navigationsgerät im Auto, die Daten.
Tracken heißt, dass das Endgerät von allen Satelliten im Sichtfeld Signale empfängt und damit Codestreckenmessungen durchführt. Die ausgerechnete Info wird an das Navi übergeben und die dort programmierte Software arbeitet dann mit den Daten und der vorab vom Autohersteller heruntergeladenen Karte. Dafür müssen allerdings zumindest vier Satelliten im Sichtfeld sein, sonst ist keine genaue Standortbestimmung möglich.
2. Erdbeobachtung
Neben der Navigation ist die flächendeckende Erdbeobachtung ein weiterer wichtiger Einsatzbereich der künstlichen Himmelskörper. Hier werden u.a. Daten über die Bodenbeschaffung, die Grünflächen, Hitze auf den Straßen und eben auch Wetterdaten gesammelt. Das übernimmt nicht mehr die Galileo Flotte, sondern für Europa das Erdbeobachtungsprogramm Copernicus mit seinen "Sentinel"-Satelliten.
Die enorme Menge an gesammelten Daten von Copernicus ist ohne weitere Schritte, wie auch bei der Navigation, noch recht nutzlos. Werden die Informationen aber folgend für eine konkrete Anwendung genutzt, liefern sie die Grundlage für flächendeckendes und immer aktuelles Wissen über den Zustand der Erde.
Ein Beispiel dafür ist die durch Erdbeobachtung erstellte Heat Map von "GeoVille". Neben der Information, wie sich die Hitze auf unserem Planeten allgemein entwickelt, erlaubt sie einen Blick in die Zukunft unserer Straßen. Satelliten können zwar nicht durch die Zeit reisen, doch sie ermöglichen zu erkennen, an welchen Stellen die Straßen sehr starker Hitzebelastung ausgesetzt sind. Mit diesen Daten kann festgestellt werden, an welchen Fahrbahnstellen die Wahrscheinlichkeit für Risse und andere Schäden höher ist und somit Reparaturen öfter notwendig sind.
Das war es aber nicht mit dem "Hellsehen": Über die Erdbeobachtung gelingt es uns auch, die wahrscheinliche Verfügbarkeit von Parkplätzen je nach Straßenzug und Wochentag vorherzusagen.
Satelliten der Erdbeobachtung liefen auch für den Motorsport ein heute unverzichtbares Service. So wurde auch in der Königsklasse des Motorsports, der Formel 1, der private Wetterdienst UBIMET eingesetzt. Mithilfe von 28.000 Wetterstationen, fast einer Tonne schwerem Equipment, eigenen Meteorologen und unzähligen Satellitenbildern konnte eine sehr präzise Wettervorhersage und somit eine frühzeitige Analyse der Streckenbedingungen ermittelt werden, was bei der Bestimmung der richtigen Reifen für die Rennen half.
3. Kommunikation
Als drittes Service bieten Satelliten eine unbegrenzte globale Kommunikation. Das betrifft Fernsehen, wie wir es kennen, Rundfunk, militärische Kommunikation, Internet und Telefon aber auch unsere Vorstellung von zukünftiger Mobilität.
Ständige Kommunikation ist in Zeiten von Smartphones und Internet eine Selbstverständlichkeit geworden, die allerdings noch sehr, wortwörtlich, "am Boden verankert" ist. Internet über terrestrische Antennen allein kann (ökonomisch sinnvoll) nur 95 Prozent der Erde abdecken. zudem kommt es aufgrund von Naturkatastrophen und ähnlichem trotz aller Bemühungen immer noch zu Ausfällen. Das mag für die eine E-Mail oder einen Streaming-Dienst eine akzeptable Fehlerquote sein – für den Verkehr oder die Zukunft von selbstfahrenden Autos hingegen ist eine 100-prozentig sichere Abdeckung nicht nur praktisch, sondern obligatorisch.
Wie kann also dieses erdumfassende Internet gewährleistet werden? Klar, mithilfe von Satelliten. Derzeit gibt es nur ein Projekt, das Satelliteninternet in dieser Größenordnung bereits ermöglichen kann: Das bereits mit eigener Satellitenflotte ausgestattete, amerikanische, von SpaceX betriebene Starlink, von Tesla-Gründer Elon Musk.
Die Säule Kommunikation fehlt noch im europäischen Satellitenkonstrukt, aber Europa zieht bereits nach: IRIS² (gesprochen Iris Square) soll das europäische Pendant zu Starlink werden.
Das noch in Entwicklung befindliche Programm hat wieder das Ziel, die Unabhängigkeit Europas in diesem Sektor zu stärken. Geplant ist allerdings eine wesentlich geringere Anzahl an Satelliten als bei Starlink.
Noch ist IRIS² nicht startbereit, es gibt aber bereits ein Positionspapier, das klar definiert, wie autonomes Fahren in Zukunft funktionieren wird. Darin ist festgelegt, dass künftig alle Autos durchgehend online sein müssen, um ununterbrochene Kommunikation, "seamless connectivity", zu gewährleisten, die für automatisiertes Fahren absolut notwendig ist. Das bedeutet: Ohne Satelliten, wird autonomes Fahren nicht möglich sein.
Weitere Infos über die Datenverarbeitung und Nutzungsmöglichkeiten erfahren Sie im Q & A mit Christian Fuchs von "Austria in Space" einer vom BMK, dem zuständigen Ministerium für Weltraumangelegenheiten, getragenen Plattform.
Diese Autos sollen ständig online sein, um mit anderen selbstfahrenden Fahrzeugen zu kommunizieren, um Updates zu bekommen oder auch um Slots bei Ladestationen bzw. Parkplätzen zu buchen.
Wo werden Satellitendaten außerdem genutzt?
Neben dem Automotive Bereich sind auch im Flugverkehr Satellitendaten in Verwendung. Flugzeuge etwa benutzen EGNOS (Vereinfacht gesagt: Ein System, das die Positionsgenauigkeit von zB. GPS-Empfängern verbessert), um präzise und automatisch zu landen.
Auch für Carsharinganbieter sind Satellitendaten essentiell. So liefert z.B. die österreichische Firma "Ubiq" wichtige Daten, mithilfe derer die Auslastung besser eingeschätzt werden kann. Dies ermöglicht das Umparken der Fahrzeuge oder, dass eine E-Auto-Flotte rentabel ist. Denn auf diesem Weg können die Ladestände miteinbezogen werden.
Auf der Erde, in der Luft und tatsächlich auch im Wasser: In der Schifffahrt laufen derzeit verschiedene Tests, um das gängige AIS Funksystem (Automatic Identification System) auch von Satelliten zu empfangen. Es wird daher vermutlich künftig einen Wechsel zu einem satellitenbasierten System geben.
Bereits im Einsatz befindet sich das Startup Seasy.com. Es hilft Seglern freie Slots für die Übernachtung in Marinas zu buchen. Es muss daher nicht mehr einzeln in den Häfen nachgefragt werden, ob noch Platz ist. Sie nutzen dabei sowohl Navigations- als auch Erdbeobachtungsdaten zur Vorhersage.
Wieviele Satelliten sind aktuell im All unterwegs?
Um Navigation, Erdbeobachtung und Kommunikation in dieser Qualität anzubieten, sind dementsprechend viele Satelliten im All unterwegs. Derzeit sind über 6.700 aktiv, davon sind allein 3.268 (Quelle: Statistika Juni 2023) Teil des Satellitenkommunikationssystems Starlink. Eine genaue Aufstellung, wie viele Satelliten, aktiv und inaktiv, bzw. insgesamt im Umlauf sind, gibt es nicht.
Wie und wo bewegen sich die Satelliten?
Je nach Art und Funktion der Satelliten, befinden diese sich in verschiedenen Umlaufbahnen. Fernsehkommunikation- und Wettersatelliten sowie die Navi-Korrektursatelliten von EGNOS, befinden sich in einer Höhe von rund 36.000 Kilometern. Die Erdanziehung ist dort bereits so gering, dass sich der Satellit auf dieser Höhe in der gleichen Geschwindigkeit wie die Erde dreht.
Diese Position wird als geostationär bezeichnet – dort befindet er sich immer am gleichen Punkt zur Erde. Dieser vermeintliche "Stillstand" ermöglicht die dauerhafte Beobachtung einer bestimmten Region auf der Erdoberfläche. Beispielsweise europäische Wetterbeobachtungssatelliten von EUMETSAT befinden sich immer über Europa. Derzeit sind drei Wettersatelliten von EUMETSAT (Europäische Organisation für die Nutzung meteorologischer Satelliten) aktiv.
Die Navigationssatelliten befinden sich weiter unten im Medium Earth Orbit, zwischen 2.000 bis ca. 36.000 Kilometer Höhe und die Erdbeobachtungssatelliten zB. Sentinel-2 sind rund 700 Kilometer hoch im Low Earth Orbit in Bewegung. Beide sind daher nicht geostationär, die Erdbeobachtungssatelliten etwa bewegen sich um die Erde herum und decken innerhalb von ca. fünf Tagen den ganzen Planeten ab, sodass sie dann ein vollständiges Bild von der Erde liefern können. Hier ein Vergleich, wo sich die Satelliten befinden.
Kleinere Kommunikationssatelliten, z.B. Starlink Internet, sind mit 300 - 500 Kilometern Entfernung zum Boden dann schon im very low earth orbit, quasi erdnahe – fünf Jahre nach Ablauf ihrer Lebensdauer verglühen sie in den meisten Fällen in der Atmosphäre.
Warum gilt bei Satelliten das Form-follows-Function-Prinzip?
Im Gegensatz zu z.B. Autos ist bei einem Satelliten die Aerodynamik unwichtig, da im All kein Luftwiderstand zu finden ist. Ein Satellit kann daher eckig, rund, lang, kurz oder theoretisch auch herzförmig sein. Wichtig ist einzig seine Funktion. Dadurch variieren auch Gewicht und die Lebensdauer.
Wussten Sie schon?
Wie gerade ausführlich geschildert, sind Einsatzmöglichkeiten von Satellitendaten sehr vielfältig und bieten künftig noch mehr Potenzial. Doch bereits seit langem erleichtern uns die Flugobjekte im Weltraum den Alltag. Das wäre ohne den Aufbruch der Menschen ins All nicht möglich gewesen. Dieser sogenannte Technologietransfer umfasst so praktische Dinge wie die Mikrowelle, Solarpaneele, Akkuschrauber, UV-Filter, kabellose Kopfhörer und vieles mehr.
Und immer wieder kommen neue Möglichkeiten hinzu, die uns auch im Bereich der emissionsfreien Mobilität helfen können. So nutzt das Start-up "Hydrosolid" eine Technologie der NASA. Diese wurde ursprünglich entwickelt, um Wasser am Mars zu finden. Das österreichische Unternehmen setzt diese dazu ein, um auf der Erde Wasserstoff bei einem Zehntel des Drucks eines normalen Wasserstofftanks zu speichern.
Green Transition Information Factory (GTIF): Mithilfe von Erdbeobachtung können Bereiche wie Energie, Mobilität sichtbar in einem userfreundlichen Tool dargestellt werden. Diese Infos sind öffentlich zugänglich und kommen von Satelliten. z.B.: Windkraft, Solar. Dieses Tool ermöglicht zum Beispiel festzustellen, wo es Potenzial für Solarenergie gibt, wie das Dach ausgerichtet sein soll und mehr.
In vielen Satelliten ist ein Stück Technik aus Österreich eingebaut. Satelliten sind extremen Temperaturbedingungen ausgesetzt. Es kann plus/minus 150 Grad haben, je nachdem ob sie in der Sonne oder im Schatten sind. Daher hat jeder Satellit eine besondere Thermoisolation, da im Inneren die Elektronik weder zu heiß noch zu kalt werden darf. Sonst funktioniert es nicht mehr. Diese kommt zB. von der österreichischen Firma "Beyond Gravity".
Internetsatelliten im Weltall sind unabdingbar für die Zukunft des autonomen Fahrens auf der Erde. Schon jetzt sind wir in der Mobilität tagtäglich auf Satelliten angewiesen.
Was passiert mit dem Weltraumschrott?
So praktisch und ständig verfügbar Satelliten für uns sind, so darf natürlich auch die Problematik, die durch immer mehr Flugkörper im All entsteht, nicht vergessen werden. Weltraumschrott ist ein Problem, vor allem jener, der unkontrolliert herumfliegt.
Zum Abschluss: noch mehr Satellitenfakten
- Der Weltraum beginnt in ca. 100 km Höhe.
- Viele Satellitendaten sind für alle zugänglich und gratis. Natürlich geht es nicht ohne entsprechende Technik.
- In Österreich gibt es die Möglichkeit an verschiedenen Hochschulen Geodäsie zu studieren.
- In Wr. Neustadt (NÖ) werden bei Enpulsion Triebwerke für Satelliten hergestellt.
- Derzeit sind ca. fünf österreichische Nano- und Kleinsatelliten im All. Am 9. Oktober startete PRETTY. Er wird zwei wissenschaftliche Experimente mit an Bord haben und ua. das Ausmaß von Eis- und Meereshöhen sowie Meeresströmungen der Ozeane vermessen.
Quelle: autotouring.at
Autorinnen: Verena Schauer und Lydia Silberknoll