Satellives: Die nächste Generation der Weltrauminfrastruktur
Der entscheidende Impuls kam während des Programms Extended Studies on Innovation an der TU Wien. Dort begann sich die Idee zu Satellives zu formen, unterstützt durch Mentor:innen, Kolleg:innen und ein Umfeld, das interdisziplinäres Denken fördert.
Aus dieser Erfahrung und dem Verständnis eines grundlegenden Problems heraus entstand schließlich Satellives: ein Wiener Startup, das modulare, rekonfigurierbare Satellitenplattformen entwickelt. Sie sollen In-Orbit-Fertigung, Datenspeicherung, Energieproduktion und andere Missionen im Weltraum ermöglichen.
Vor rund zweieinhalb Jahren gegründet, wuchs das Unternehmen aus Eichingers Soloidee zu einem kleinen internationalen Team heran – mit ihrem Bruder, einem Elektroingenieur und Betriebswirt, und einem technischen Mitgründer mit Erfahrung in Satellitensystemen.
Satelliten neu gedacht
Die zentrale Innovation von Satellives ist der sogenannte "FlatSat", ein dünner, paneelartiger Satellit, der sich im Orbit entfaltet. Jedes Modul kann eigenständig arbeiten oder sich mit anderen zu größeren Plattformen verbinden. Damit überwindet das Design die Grenzen herkömmlicher CubeSats und ermöglicht es, mehrere Missionen gleichzeitig auf einem System durchzuführen.
Wir haben neu definiert, was einen Satelliten eigentlich ausmacht. Warum sollte eine Plattform nicht mehrere Funktionen gleichzeitig erfüllen können?
Die FlatSats arbeiten ähnlich wie Solarpaneele: Sie erzeugen und speichern Energie und dienen zugleich als Datenspeicher. Andere Kleinsatelliten, etwa CubeSats, können über ein Plug-in-Dockingsystem an die Satellives-Plattform andocken und dort direkt Energie und Datenverbindungen beziehen. Dadurch entfällt die Notwendigkeit, dass jeder Satellit eigene Solarpaneele, Batterien oder Kommunikationsmodule mitführen muss.
Jedes Modul misst ausgeklappt rund 33 mal 33 Zentimeter und ist nur drei Zentimeter dick, wenn es gestapelt wird. Die Satelliten sind mit Standard-Dispensern kompatibel, was Startkosten reduziert. Satellives hat mehrere Patente für das System angemeldet, darunter für das modulare Scharnier-Design und für Produktionsboxen, die 3D-Drucker, Lasersysteme oder biotechnologische Experimente aufnehmen können.
Eine Plattformökonomie im Orbit
Die Technologie von Satellives schafft eine neue Art orbitaler Infrastruktur – teils Energienetz, teils Datenzentrum, teils Fabrik. Das Geschäftsmodell sieht vor, dass Kund:innen entweder eigene FlatSats erwerben oder über ein Abonnement Zugriff auf die bestehende Infrastruktur erhalten.
Einnahmequellen reichen von Leasing- und Nutzungsgebühren bis zu Beteiligungen an Erträgen aus In-Orbit-Produktionen oder Datendiensten.
Es ist wie Cloud-Storage aber wortwörtlich über den Wolken. Wir schaffen eine Plattformökonomie im Weltraum.
In Zukunft sollen Nutzer:innen ähnlich wie bei irdischen Cloud-Services Energie, Datenspeicher oder Produktionskapazität direkt über eine Online-Plattform buchen können. Dieses Modell eröffnet neue Möglichkeiten für Forschungseinrichtungen, Kleinsatellitenbetreiber und Unternehmen, die Zugang zu orbitaler Infrastruktur benötigen, ohne selbst teure Großsatelliten bauen zu müssen.
Laut Eichinger besteht schon konkretes Interesse: Mehrere Absichtserklärungen mit potenziellen Partnern aus den Bereichen 3D-Druck, Materialforschung und Laserkommunikation sollen bald unterzeichnet werden.
Kreislaufwirtschaft im All
Doch Eichingers Vision geht über Energie und Daten hinaus. Satellives will eine vollständig zirkuläre Weltrauminfrastruktur aufbauen – ein System, in dem Satelliten nicht mehr am Ende ihrer Mission verglühen, sondern im Orbit repariert, wiederverwendet oder recycelt werden.
Jeder FlatSat kann beschädigte Teile abtrennen und in eine leere Produktionsbox falten, um sie dort zu reparieren oder zur Erde zurückzubringen. Das modulare Design ermöglicht Wartung und Austausch direkt im All, was eben „das Gegenteil von Wegwerf-Weltraumtechnik", sagt Eichinger. „Wir wollen Infrastruktur im Orbit nachhaltig machen. Keine Satelliten mehr, die herumtreiben oder verglühen. Jedes Teil soll ein zweites Leben haben."
Langfristig will Satellives den Materialkreislauf schließen: Satelliten, die auf der Erde automatisiert gefertigt werden, könnten eines Tages mit recycelten Komponenten aus dem All erneuert werden. „Unser Ziel ist ein sich selbst erhaltendes System", so Eichinger. „Eine Infrastruktur, die sich selbst repariert, produziert und mit Energie versorgt ohne Abfall zu hinterlassen."
Produktion in Österreich
Ein FlatSat soll rund 100.000 Euro kosten, was erschwinglich genug ist, um auch kleinen Forschungseinrichtungen und Universitäten Zugang zum All zu ermöglichen. Kund:innen können entweder ein einzelnes Modul kaufen oder sich einem größeren Netzwerk anschließen, um Rechenleistung und Energie zu teilen. Gefertigt werden sollen die Satelliten in Wien, in einer automatisierten Produktionslinie. Ein erster Prototyp soll 2026 getestet, zwei Einheiten bis 2028 gestartet werden.
Wir wollen der erste Satellitenhersteller mit Hauptsitz in Österreich werden. Es gibt hier großartige Firmen, die Komponenten liefern, aber niemand baut komplette Satelliten.
Derzeit arbeitet Satellives vom Makerspace in Tulln und vom Vienna Space Hub aus und kooperiert mit Forschungspartnern über das ESA Phi Lab und das Accent-Inkubatorprogramm. Patentanmeldungen laufen, Förderanträge sind in Vorbereitung. Gespräche mit Investor:innen sollen beginnen, sobald der erste Prototyp steht.
Österreichs Beitrag zur Weltraumtechnik
Für Eichinger ist Österreich ein vielversprechender, wenn auch noch unterschätzter Standort für Raumfahrtunternehmen. „Wenn man an Raumfahrt denkt, denkt man selten an Wien", sagt sie. „Aber das Ökosystem wächst schnell. Österreich hat viele Talente und mehrere erfolgreiche internationale Weltraumfirmen hervorgebracht."
Ihr Blick bleibt pragmatisch und optimistisch: „Die Welt ist heute klein. Ob man in Wien, Budapest oder Glasgow sitzt – man kann globale Technologie entwickeln. Entscheidend ist Zusammenarbeit", sagt sie. „Für mich geht es nicht um schnelle Exits, sondern darum, etwas Dauerhaftes aufzubauen; eine echte, nachhaltige Weltrauminfrastruktur."