Ludwig Möller: Brücken bauen für Europas Raumfahrt-Zukunft

Wenn Ludwig Möller über seinen Weg in die Raumfahrt spricht, beginnt er nicht mit Raketen oder Satelliten, sondern mit Europa. "Für mich war immer das E in ESA und ESPI entscheidend – das Europäische", sagt er. "Der Weltraum kam erst später."
Ludwig Möller steht an einem Rednerpullt und winkt in die Kamera und in das Publikum.
Ludwig Möller (Copyright: Peter Griesser)

Mit einer Ausbildung im Bereich Telekommunikation startete Möller seine Karriere bei Siemens, wo er an den ersten globalen Glasfasernetzwerken arbeitete, „dreißig Jahre bevor man Vergleichbares im Weltraum machen würde". Später, im Europäischen Patentamt, erlebte er die zunehmende Verschmelzung von Computing und Telekommunikation.

Der Wechsel in die Raumfahrt war für ihn ein logischer Schritt. „Heute passiert die wirklich transformative Innovation im Weltraum", sagt Möller. „Halbleiter und Internet hatten ihre großen Momente vor Jahrzehnten. Jetzt ist die Raumfahrt dran und Europa hat hier immer noch die Chance, aktiv mitzugestalten."

Für ihn ist Raumfahrt weit mehr als Technologie. „Sie hat immer zwei Seiten", sagt er. „Die visionäre – Astronauten, Exploration – und die praktische – Erdbeobachtung, Klima, Sicherheit, Innovation. In Europa ist es manchmal schwerer, allein über das Inspirierende breite Unterstützung zu bekommen. Aber beides zu haben, ist ein enormer Vorteil. Raumfahrt ist cool. Frag ein Kind, und du wirst es sehen. Und gleichzeitig ist sie nützlich: Sie schützt den Planeten, treibt Technologie voran und stärkt unsere Wirtschaft. Wenn du ein anderes Feld findest, das Vorstellungskraft und Wirkung so perfekt verbindet, sag mir Bescheid", lacht er. „Ich habe noch keines gefunden."

Dieses Zusammenspiel prägt auch seine breitere Philosophie: Brücken zwischen Disziplinen, Ländern und Perspektiven zu bauen. Dieses Leitmotiv bestimmt seine Arbeit als Direktor des European Space Policy Institute (ESPI). Auch die diesjährige Autumn Conference in Wien, die am 28. und 29. Oktober stattfand, stand ganz im Zeichen dieser Idee und trug einen Titel, der europaweit Debatten auslöste: Europe as a Space Power.

Ist Europa eine Weltraummacht?

„Die wichtigste Erkenntnis", sagt Möller rückblickend, „war eigentlich die Reaktion auf diesen Titel." Der Begriff Space Power sei „ein Ausdruck von Ambition, den Europa sich vor nicht allzu langer Zeit kaum zuzutrauen gewagt hätte".

Im voll besetzten Konferenzsaal diskutierten Delegierte aus mehr als 60 Ländern, was es bedeutet, wenn Europa sich selbst als ernstzunehmenden Raumfahrtakteur betrachtet. Überraschend war, dass rund die Hälfte der Teilnehmer nicht aus Europa kam – Länder und Agenturen, die, wie Möller betont, aktiv nach neuen Partnern und alternativen Kräften in der dynamischen globalen Weltraumlandschaft suchen.

„Da war eine besondere Energie im Raum", erinnert er sich. „Es fühlte sich an, als würde jemand zum Tanz einladen und jemand wäre bereit, eingeladen zu werden."

Die Diskussionen zeigten Europas Stärken, aber auch seine Selbstzweifel. Ein Vertreter der Saudi Space Agency bemerkte pointiert: „Europa ist eine Raumfahrtsmacht. Es ist, als würde der zweitbeste Schüler behaupten, er sei kein guter Schüler." Andere forderten Europa heraus, Selbstzufriedenheit abzulegen und zu definieren, was Space Power praktisch heißen soll.

Möller begrüßt diese Spannbreite. „Das gehört zum Erwachsenwerden dazu", sagt er. „Man braucht Stimmen, die die eigene Ambition herausfordern. So reifen Systeme. Und ich glaube, die meisten im Raum waren sich einig: Europa war eine Raumfahrtsmacht und kann es wieder sein."

Er verweist auf europäische Spitzenprogramme wie Copernicus (Erdbeobachtung), EUMETSAT (Wetter) und Galileo (Navigation). „Das sind globale Maßstäbe", sagt er. „Wir unterschätzen sie, weil sie so stabil und zuverlässig laufen." Dazu komme „eine der höchsten Dichten an gut ausgebildeten Menschen weltweit" und viele innovative kleinere Länder. „Die Zutaten sind da." Und: Deutschland und Frankreich hätten inzwischen eigene Weltraumministerien. „Politischer Wille entsteht wieder. In manchen Ländern verdoppeln sich die Investitionen."

Österreichs Stärken in der Raumfahrt

ESPI Konferenz
(Copyright: Peter Griesser)

ESPI, Europas führender Thinktank für Raumfahrtpolitik, hat seit 2002 seinen Sitz in Wien. Die Stadt – auch Sitz des UN-Büros für Weltraumfragen – setzte sich damals gegen Italien, Frankreich und das Vereinigte Königreich durch. „Es ergab Sinn", sagt Möller. „Wien war bereits ein globales Zentrum für Weltraumdiplomatie."

Zwei Jahrzehnte später ist die Rolle ungebrochen relevant. Österreich mag nicht als Erstes genannt werden, wenn man an Raumfahrt denkt und doch spielt es konstant über seiner Gewichtsklasse. Mehrere einflussreiche europäische Raumfahrtunternehmen wurden von Österreicher:innen gegründet, darunter Isar Aerospace (Daniel Metzler), OroraTech und Spire Global (Peter Platzer). Auch ESA-Generaldirektor Josef Aschbacher kommt aus Österreich, und die österreichischen Beiträge zu ESA-Missionen sind zahlreich.

Wie sieht Möller Österreichs Rolle im größeren Ganzen? Optimistisch, aber realistisch. „Die Herausforderung für jedes Land, und für Europa insgesamt, besteht darin, ein Ökosystem zu schaffen, das talentierte Menschen hält", sagt er. „Österreich bildet hervorragende Talente aus; seine F&E-Ausgaben im Verhältnis zum BIP sind beachtlich."

Entscheidend sei aber, diese Talente auch im Land zu halten: „Man braucht klare Marktstrukturen, politische Richtung und passende Finanzierung. Wenn Innovatoren hier wachsen sollen, muss man die Bedingungen dafür schaffen."

Als Vergleich nennt er die Schweiz – ähnlich groß, aber durch langfristige Investitionen und strategische Prioritäten global wettbewerbsfähig. „Österreich sollte sich ähnliche Ambitionen setzen", sagt er. „Und mit Ambition meine ich nicht kleine, lineare Schritte, sondern mutige sprünge."

Europa stehe an einem Wendepunkt und Österreich habe alle Chancen, Teil davon zu sein. „Wir leben in einem disruptiven Moment", sagt Möller zum Schluss. „Man kann nicht mehr in geraden Linien denken. Man muss den nächsten Sprung wagen. Und ich hoffe, Österreich ist dabei, wenn Europa diesen Schritt macht."