Doppelpremiere für ESA-Raumsonde JUICE
Das Grazer Institut für Weltraumforschung (IWF) der Österreichischen Akademie der Wissenschaften (ÖAW) ist insgesamt an drei Instrumenten an Bord beteiligt und fiebert diesem Moment gemeinsam mit seinem Projektpartner an der TU Graz entgegen.
Kein Direktflug zu Jupiter möglich
Insgesamt wird JUICE acht Jahre unterwegs sein, bevor die Raumsonde im Juli 2031 das Jupitersystem erreicht. JUICE muss mehrere Vorbeiflüge an Mond, Erde und Venus absolvieren, um die notwendigen Kursänderungen durchführen und eine höhere Geschwindigkeit erreichen zu können.
Mehr als die Hälfte des Startgewichts von 5,2 Tonnen ist Treibstoff, mit dem JUICE bis zum Ende der Mission auskommen muss. Die komplizierte Flugbahn mit mehreren Vorbeiflügen ist ein notwendiger Kompromiss, um Treibstoff zu sparen. JUICE ist die erste Raumsonde, die das sogenannte Gravity-Assist-Manöver bei Mond und Erde in einem kombinierten Vorbeiflug machen wird.
JUICE feiert eine Weltpremiere
Am 19. und 20. August 2024 wird die Raumsonde JUICE die Schwerkraft des Mondes und dann der Erde nutzen, um ihre Bahn durch den Weltraum zu krümmen und so dem Jupiter einen Schritt näher zu kommen.
Mond-Erde-Vorbeiflug: Schritt 1 - Der Mond
Bei diesem Manöver wird sich JUICE am 19. August um 23:16 Uhr MESZ zuerst dem Mond bis auf 700 Kilometer nähern.
Mond-Erde-Vorbeiflug: Schritt 2 - Die Erde
Dieser Mond-Vorbeiflug muss punktgenau erfolgen, damit rund 24 Stunden später, am 20. August knapp vor Mitternacht, die Bahnkorrektur an der Erde, in einer Entfernung von weniger als 7000 Kilometern, gelingen kann. Mit diesem gewagten Doppelmanöver wird JUICE in Richtung Venus umgeleitet - eine Abkürzung durch das innere Sonnensystem, die die Gesamtreisezeit zum Jupiter deutlich reduziert.
Das IWF Graz an Bord von JUICE
Das IWF ist an drei der insgesamt zehn hochmodernen Instrumente beteiligt. Das Institut kalibrierte die Antennen des Radiowelleninstruments RPWI und ist Mitglied im wissenschaftlichen Team des Teilchenspektrometers PEP.
In Kooperation mit dem Institut für Experimentalphysik der TU Graz entwickelte das IWF das neuartige Quanteninterferenz-Magnetometer MAGSCA, das gemeinsam mit zwei herkömmlichen Fluxgate-Sensoren das Magnetometer J-MAG bildet. J-MAG wurde zusammen mit dem Imperial College London, das auch die Gesamtleitung innehat, und der TU Braunschweig gebaut, um speziell die Ozeane unter der eisigen Oberfläche der Jupitermonde zu untersuchen.
Alle drei Sensoren sind auf einem 10,5 m langen Ausleger (Magnetometer-Boom) montiert. MAGSCA befindet sich an der äußersten Spitze des Booms.
Erdmagnetfeld als Kalibrierhilfe
Unmittelbar nach dem Start im April 2023 wurde MAGSCA auf Herz und Nieren überprüft und für voll funktionsfähig befunden. Den Betriebs- und Testvorgaben der Raumsonde JUICE entsprechend fanden im Jänner und Juli 2024 zwei weitere Funktionsüberprüfungen statt. Diese erfolgten mittels Messung des interplanetaren Magnetfeldes, das nur wenige Nanotesla groß ist.
Unser Sensor spielt also eine Schlüsselrolle bei der Kalibrierung des Gesamtmagnetometers.
Beim Erdvorbeiflug am 20. August taucht die Raumsonde JUICE tief in das irdische Magnetfeld ein, wodurch die Messwerte auf über 4.000 Nanotesla steigen werden. „Das ist um den Faktor Tausend größer als bei früheren Überprüfungen und ermöglicht eine perfekte Simulation der Feldbedingungen, wie wir sie später auch in der Umlaufbahn um den Jupitermond Ganymed vorfinden werden", erläutert IWF-Gruppenleiter Werner Magnes.
Dadurch kann auch das Zusammenspiel aller drei J-MAG-Sensoren im Detail studiert werden
Aus Modellen ist die Richtung des Erdmagnetfeldes, das beim Vorbeiflug gemessen wird, hinreichend bekannt. Das ermöglicht die exakte Bestimmung der Ausrichtung der Fluxgate-Sensoren auf dem äußerst langen Ausleger. MAGSCA liefert zusätzlich die hochgenaue Messung der Größe des Magnetfeldes.
„Unser Sensor spielt also eine Schlüsselrolle bei der Kalibrierung des Gesamtmagnetometers", ergänzt Magnes. „Dadurch erfolgt nicht nur eine erweiterte Überprüfung der Funktion des Grazer Quanteninterferenz-Sensors, sondern auch das Zusammenspiel aller drei J-MAG-Sensoren, das für die geforderte Messgenauigkeit im Jupitersystem unabdingbar ist, kann im Detail studiert bzw. kontrolliert werden", betont Roland Lammegger, Projektleiter für MAGSCA am Institut für Experimentalphysik der TU Graz.
Finanzierung der österreichischen Instrumente
Entwicklung, Bau und Betrieb der wissenschaftlichen Instrumente werden von der Agentur für Luft- und Raumfahrt (ALR) der Österreichischen Forschungsförderungsgesellschaft (FFG) über das Wahlprogramm PRODEX der ESA sowie das nationale Weltraumprogramm ASAP ermöglicht. Die ESA- und ASAP-Mittel werden vom Bundesministerium für Klimaschutz, Umwelt, Energie, Mobilität, Innovation und Technologie bereitgestellt. Die komplementäre Finanzierung der Instrumente ermöglichen die ÖAW und die TU Graz, deren zuständiges Ministerium das Bundesministerium für Bildung, Wissenschaft und Forschung ist.
Why Space Research Matters - JUICE
Der Jupiter Icy Moons Explorer (JUICE) ist eine Raumsonde der Europäischen Weltraumorganisation ESA, die am 14. April 2023 ihre Reise ins Jupitersystem begann, um den größten Planeten unseres Sonnensystems und seine Eismonde – Kallisto, Ganymed und Europa – zu erforschen, die möglicherweise Voraussetzungen für Leben bieten.
JUICE wird ihre verborgenen Ozeanreservoirs untersuchen, ihre Eishüllen kartieren und ihr Inneres erforschen. Während ihre Ozeane für JUICE von zentralem Interesse sind, ist jeder Mond auch individuell interessant: Kallisto ist eine uralte Welt, die das frühe Jupitersystem repräsentiert, Europa scheint eine junge und aktive Oberfläche zu haben, die Wasser in den Weltraum abgibt, und Ganymed ist nicht nur der größte Mond des Sonnensystems, sondern generiert auch ein eigenes Magnetfeld.
Großmissionen zu den Gasriesen Jupiter und Saturn sowie den Eisriesen Uranus und Neptun sind unerlässlich, um diese individuellen Himmelskörper und die Entstehung des Sonnensystems zu verstehen. Diese Forschung ist wesentlich für die Beantwortung der Frage nach der Vielfalt planetarer Spezies innerhalb und außerhalb unseres Heimatplanetensystems.
Damit leistet das IWF einen wesentlichen Beitrag zur Ausbildung zukünftiger Wissenschaftler:innen und Ingenieur:innen.
Die Riesenplaneten und ihre Monde waren auch das Thema der Sommerschule Alpbach 2024, bei der mehrere Vortragende und Tutor:innen vom IWF den Studierenden zur Seite standen und Grundlagenwissen vermittelten. „Damit leistet das Grazer Weltrauminstitut einen wesentlichen Beitrag zur Ausbildung jener Generation von Wissenschaftler:innen und Ingenieur:innen, die in den Jahren des Science Returns die Daten von JUICE auswerten und nutzen werden", sagt IWF-Direktorin Christiane Helling.
Bericht mit Video auf der Website des Instituts für Weltraumforschung
Rückfragen
ÖAW, Institut für Weltraumforschung
Dr. Werner Magnes
Mobil: +43 (669) 103 906 04
E-Mail: werner.magnes@oeaw.ac.at
TU Graz, Institut für Experimentalphysik
Dr. Roland Lammegger
Mobil: +43 (664) 738 107 62
E-Mail: roland.lammegger@tugraz.at