Erfolge für Raketen von Grazer und Wiener Studierenden in Portugal bei der EUROC 2022

Die Studierenden des TU Wien Space Teams und des Aerospace Team Graz nahmen im Oktober mit ihren selbst entwickelten Raketen bei der European Rocketry Challenge (Euroc 2022) in Portugal teil.

Aerospace Team Graz auf Höhenflug

Nach knapp einem Jahr Projektzeit war es im Oktober so weit: Das Aerospace Team Graz (ASTG) startete seine Wettbewerbsrakete "AVES II" bei der "European Rocketry Challenge 2022" in Portugal und erlangte dabei großen Erfolg.

Bei diesem Wettbewerb geht es um Präzision: 25 Studententeams aus ganz Europa versuchen, mit selbstgebauten Raketen eine Zielhöhe so genau wie möglich zu erreichen. Dabei gibt es verschiedene Antriebsarten.

Wir haben uns für einen Feststoff-Raketenmotor entschieden, der unsere Rakete mitsamt 4 kg Nutzlast auf 3000 m befördern soll.

Projektleiter Daniel Teubenbacher

Dabei erreicht die 33 kg schwere und 3,6 m lange Rakete eine Geschwindigkeit von ca. 1100 km pro Stunde.

Neben dem Start der Rakete mussten die Teammitglieder auch den kritischen Fragen der Experten und Expertinnen standhalten und die einzigartigen Eigenschaften der Rakete AVES II präsentieren. Dabei konnten die Grazer überzeugen und nahmen gleich 2 Trophäen mit nach Hause.

Der "New Space Award" zeichnet den besten Jury Pitch des Projekts und die Präsentation des Teams als Launch Provider aus. Für den "Team Award" konnten wir mit Zuverlässigkeit, Teamfähigkeit, Organisation und Kommunikation überzeugen,

freut sich Teubenbacher.

Knapp 80 Studierende zählt der vor 3 Jahren gegründete Verein mittlerweile.

Das Interesse am Raketenbau und allgemein am Space-Sektor ist groß - wir sind auch froh, dass bei uns 14 Studiengänge von verschiedenen Grazer Hochschulen vertreten sind,

erzählt Präsident Stefan Weiß.

Das Team arbeitet nach dem Prinzip, möglichst alle Raketenkomponenten selbst zu entwickeln und zu bauen. Dies wird den Studierenden vor allem durch Partnerschaften mit österreichischen Unternehmen ermöglicht. Nun verfolgt das ASTG weiter das Ziel, Menschen für Technik und Wissenschaft zu begeistern und vielleicht auch ein Raketenevent in Österreich zu veranstalten.

Text: Georg Witzlinger, ASTG

 

LAUNCH DAY - AVES II European Rocketry Challenge 2022

Das Video wird über Youtube bereitgestellt, dabei wird eine Verbindung zu den Servern von Youtube hergestellt (sh. Datenschutzerklärung).

TU Wien Space Team entwickelt Flüssigrakete

Erfolgreicher Flug einer völlig neuen Rakete: Dieselbe Technik, die auch von NASA, ESA oder SpaceX eingesetzt wird, lässt nun auch Raketen des TU Wien Space Teams abheben.

Kleinere Raketen, wie sie von Studierenden-Teams auf der ganzen Welt entwickelt werden, verwenden normalerweise Festbrennstoffe. Doch dort, wo hohe Effizienz, Regelbarkeit und Wiederverwendbarkeit der Triebwerke wichtig ist, sind Flüssigtriebwerke die bessere Wahl.

Daher werden bei großen Trägerraketen, von den Saturn-Raketen des Apollo-Programms bis zu den Raketen von SpaceX, immer Flüssigtreibstoffe verwendet. Das ist allerdings technisch deutlich schwieriger als der Einsatz fester Brennstoffe.

Das TU Wien Space Team hat immer wieder mit Erfolg Feststoffraketen gestartet. Gleichzeitig arbeitete man seit Jahren an der Entwicklung einer eigenen Flüssigrakete. Sogar ein eigener Prüfstand für die Triebwerksentwicklung wurde dafür konstruiert. Nun wurde das Projekt von Erfolg gekrönt: Bei der internationalen "European Rocketry Challenge" in Portugal trat das Team der TU Wien als einziges mit einer Flüssigrakete an - und der Start gelang.

Technisches Problemlösen auf vielen Gebieten

Der Weg zum Erfolg war lang und mühsam: Flüssigtriebwerke sind unvergleichlich viel komplizierter als gewöhnliche Feststoffraketenmotoren, wie man sie etwa auch von Silvester-Feuerwerken kennt. Verschiedene Arbeitsgruppen innerhalb des TU Wien Space Teams mussten ganz unterschiedliche Probleme lösen.

Man musste sich mit schwierigen Fragen aus der Strömungsmechanik beschäftigen, um sicherzustellen, dass der Flüssigtreibstoff, dessen Komponenten in zwei getrennten Tanks aufbewahrt werden, auf exakt die richtige Weise miteinander kombiniert werden. Man musste eine geeignete Zündungstechnologie designen. Man musste eigene Elektronik für das Triebwerk entwickeln – und je mehr man darüber lernte, welche komplexen Anforderungen für einen Flüssigraketenstart erfüllt werden müssen, umso komplizierter wurde auch die Steuerungselektronik.

Wenn man ein funktionsfähiges Raketentriebwerk entwickelt hat, muss man aber immer noch die Rakete selbst bauen – zum Glück ist das der Bereich, in dem das TU Wien Space Team schon viel Erfahrung hat: Eine Rakete mit einer Länge von 2m wurde konstruiert, in die man das neuartige Antriebssystem einbauen konnte. Dem Space Team war besonders wichtig, ein kompaktes und leichtes Design zu entwickeln, um eine optimale Performance zu erreichen.

Erster Versuch – mit halbem Erfolg

Monat für Monat machten wir Fortschritte, während wir auf die European Rocketry Challenge hinarbeiteten. Wir wussten: Es gibt so viele technische Probleme zu lösen, dass es auf jeden Fall knapp wird.

Daniel Frank vom TU Wien Space Team

Einen einzigen großen Test hatte das Team eingeplant, bevor man die Reise zum Wettbewerb in Portugal antrat: Am 25. Juni 2022 sollte am Modellflugplatz in Straubing (Deutschland) die neue Rakete ihre Bewährungsprobe bestehen. Zum ersten Mal in der Geschichte des TU Wien Space Teams wurde eine Flüssigrakete gezündet – das Antriebssystem verhielt sich wie geplant, auch die Fallschirme wurden korrekt ausgelöst, allerdings war der Wind zu stark, die Fallschirme rissen aus, und statt einer sanften Landung kam es zu einem heftigen Absturz, die Rakete schlug in den Boden ein und war kaputt.

Somit blieben dem Team nur drei Monate, um für die European Rocketry Challenge eine völlig neue Rakete zu bauen.

Das war extrem harte Arbeit. Einige von uns haben in dieser Zeit nicht besonders viel geschlafen."

Georg Mikula

Bis zum letzten Tag wurde gearbeitet, getestet und optimiert - bis sich das Team dann schließlich auf den Weg nach Portugal machte - als einziges Team mit Flüssigrakete.

Voller Erfolg in Portugal

In Portugal meinte es das Wetter zunächst nicht gut mit dem TU Wien Space Team: Mehrmals musste der Start verschoben werden, auch mit kleineren technischen Problemen hatte man noch zu kämpfen. Doch am 16. Oktober 2022 um 14:12 erhielt das Team schließlich grünes Licht für den Raketenstart.

Das Triebwerk zündete, die Ventile arbeiteten korrekt und erzeugten die passende Treibstoffmischung, der notwendige Schub wurde erreicht, daraufhin wurde automatisch die Raketenhalterung gelöst – und die Rakete hob ab. Sechs Sekunden Brenndauer ermöglichten eine Flughöhe von 2200 Metern. Am Gipfelpunkt wurde die Spitze abgetrennt, ein Fallschirm wurde ausgeworfen und die Rakete kehrte zur Erde zurück. In 250 Metern Höhe wurde der größere Hauptfallschirm ausgeworfen, und so gelang plangemäß eine sanfte Landung.

Es war der erste Flüssigraketenflug mit erfolgreicher Bergung der Rakete, der je einem europäischen Studierendenteam gelungen ist - ein großartiger Erfolg für das Team nach jahrelanger Arbeit, der auch die anderen Teams und die Jury der European Rocketry Challenge beeindruckte. Nun sollen alle Konstruktionspläne, die selbstprogrammierte Software und die gemessenen Daten als Open Source veröffentlicht werden - um so auch anderen Raketen-Teams auf der ganzen Welt zu ermöglichen, auf den Erkenntnissen des TU Wien Space Teams aufzubauen.

Text: Florian Aigner