Solar Orbiter fliegt an der Erde vorbei
Nach ihrem Start im Februar 2020 und zwei Vorbeiflügen an der Venus im Dezember 2020 und August 2021, kehrt Solar Orbiter am 27. November – kurzfristig – zur Erde zurück. Während ihres riskanten Vorbeiflugs muss die Raumsonde die Wolken aus Weltraummüll durchqueren, die unseren Planeten umgeben. Das Grazer Institut für Weltraumforschung (IWF) der Österreichischen Akademie der Wissenschaften ist an zwei der insgesamt zehn wissenschaftlichen Geräte an Bord beteiligt und wird das heikle Manöver mit Spannung verfolgen.
Solar Orbiter's Reise zur Sonne
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Komplizierte Reise
Auf ihrer dreieinhalbjährigen Reise zur Sonne fliegt Solar Orbiter einmal an der Erde und achtmal an der Venus vorbei, um mit sogenannten Gravity-Assist-Manövern die endgültige Umlaufbahn zu erreichen. Die ersten zwei von acht Venus-Vorbeiflügen hat die Raumsonde erfolgreich absolviert. Wenn sie nun am 27. November um 05:30 Uhr MEZ an der Erde vorbeirast , wird die Sonde unserem Mutterplaneten – für astronomische Verhältnisse – gefährlich nahe kommen. Solar Orbiter wird in nur 460 Kilometer Höhe über Nordafrika und den Kanarischen Inseln fliegen. Das ist fast so nah wie die Umlaufbahn der Internationalen Raumstation.
Riskanter Vorbeiflug
Das Manöver ist wichtig, um die Energie der Sonde zu verringern und sie auf den nächsten nahen Vorbeiflug an der Sonne auszurichten, es birgt aber auch ein Risiko. „Solar Orbiter muss verschiedene Regionen durchqueren, in denen sich Weltraummüll angesammelt hat", erläutert IWF-Forscher Michael Steindorfer, der an der SLR-Station am Observatorium Lustbühel tätig ist. Vor allem in niedrigen Erdumlaufbahnen zwischen 400 und 800 Kilometer Höhe befindet sich eine große Anzahl an Objekten. „Die Gefahr eines Zusammenstoßes ist gering, dennoch wird die Situation sehr genau beobachtet, um die Flugbahn der Sonde im Notfall ändern zu können", so Steindorfer.
Gelegenheit zur Erforschung der Erde
„Der Vorbeiflug an der Erde bietet eine einzigartige Gelegenheit, das Magnetfeld der Erde zu untersuchen", freut sich IWF-Gruppenleiterin Rumi Nakamura. „Das Magnetfeld ist die Schnittstelle unserer Atmosphäre mit dem Sonnenwind. Diese geladenen Teilchen die ständig von der Sonne ausgestoßen werden, können nicht nur in das Magnetfeld eindringen und Polarlichter auf unserem Himmel entfachen, sondern auch Atome aus unserer Atmosphäre können ins Weltall entweichen."
Die Einzelheiten dieser Wechselwirkungen werden von drei weiteren Missionen untersucht, an denen das IWF beteiligt ist. Die Cluster-Satelliten der ESA sowie die MMS- und THEMIS-Satelliten der NASA werden zusammen mit Solar Orbiter noch mehr Daten sammeln, um aus verschiedenen Punkten im Raum den Zustand und das Verhalten des Erdmagnetfelds während des Vorbeiflugs zu rekonstruieren .
„VWA" für Solar Orbiter
Obwohl sich die Raumsonde noch in der „Cruise Phase" befindet, wurden bereits zahlreiche wissenschaftliche Ergebnisse erzielt, die im Dezember in der Fachzeitschrift Astronomy & Astrophysics veröffentlicht werden. Die Sonderausgabe kann quasi als vorwissenschaftliche Arbeit von Solar Orbiter bezeichnet werden. Zu zwölf der über fünfzig Artikel haben Forscherinnen und Forscher des Grazer Weltrauminstituts beigetragen.
Technischer Support und Know How aus Österreich
Der Satellit nutzt Thermalisolation von RUAG Space Austria, Österreichs größtem Weltraumunternehmen. „Der Satellit wird der Sonne sehr nahekommen. Entsprechend hoch sind die Anforderungen an den Hitzeschutz", erklärt Andreas Buhl, Geschäftsführer von RUAG Space Austria. Ein spezieller Schutzschild auf der Sonnenseite schützt den Satelliten durch Abschattung vor dem größten Teil dieser enormen Hitzebelastung. Hinter diesem Schild übernimmt der Hitzeschutz von RUAG Space Austria die Kühlung der Sonde: „Der gesamte Satellit ist mit einer Thermalisolation aus Österreich umhüllt", sagt Buhl.
Solar Orbiter hat zehn wissenschaftlichen Geräte an Bord, die sowohl In-Situ-Messungen als auch Fernerkundungen vornehmen werden . „Hauptziel der Mission ist es, mehr über die Heliosphäre zu erfahren und herauszufinden, wie unser Stern diese riesige Plasmablase, in der unser Sonnensystem eingebettet ist, erzeugt und moduliert", erläutert Plasmaphysikerin Nakamura. Im Mittelpunkt der Untersuchungen stehen der Sonnenwind, das Magnetfeld der Sonne und ihre energiereichen Ausbrüche.
Das IWF ist am Radiowelleninstrument RPW und am Magnetometer MAG beteiligt. RPW wird während des Erdvorbeiflugs eingeschaltet sein. „Das bevorstehende Manöver bietet eine gute Gelegenheit, um die Software-Updates der letzten Wochen zu testen," erklärt IWF-Gruppenleiter Manfred Steller, der für den RPW-Bordcomputer verantwortlich ist. Wegen der Nähe zur Erde werden auch die Daten wesentlich rascher zur Verfügung stehen.
Die Beteiligung des IWF an Solar Orbiter wurde mit Mitteln des Bundesministeriums für Klimaschutz, Umwelt, Energie, Mobilität, Innovation und Technologie (BMK) von der Forschungsförderungsgesellschaft (FFG) finanziert.
Endspurt vor dem Rendezvous mit der Sonne
Solar Orbiter wird das Wissen über unseren Mutterstern revolutionieren. Wenn die Raumsonde wieder aus dem Erdschatten heraustritt, ist sie auf dem Weg zu ihrem Rendezvous mit der Sonne. Die operative Umlaufbahn wird ein elliptischer Orbit sein, auf dem sich Solar Orbiter der Sonne in regelmäßigen Abständen bis auf 42 Millionen Kilometer nähert und dann wieder bis 135 Millionen Kilometer von ihr entfernt. Während der geplanten Missionsdauer von sieben Jahren, wird Solar Orbiter mehrmals an der Venus vorbeifliegen, um den Blickwinkel zu verändern. Die Anhebung der Bahnneigung von 0° auf 25° (bei Missionsverlängerung sogar 33°) ermöglicht eine bessere Sicht auf die Pole und erste Nahaufnahmen dieser noch nie zuvor gesehenen Regionen der Sonne.
IWF-Direktorin Christiane Helling ist davon überzeugt, dass auch ihr eigenes Forschungsgebiet von den Ergebnissen von Solar Orbiter profitieren kann. „Die Untersuchung der Heliosphäre unseres Sonnensystems schafft auch Grundlagen für unsere Forschungen an extrasolaren Planeten", hält die Institutsleiterin mit Begeisterung fest.
Kontakt IWF
Doz. Rumi Nakamura
T +43 316 4120-573
rumi.nakamura@oeaw.ac.at
Dr. Michael Steindorfer
T +43 316 873 4652
michael.steindorfer@oeaw.ac.at
Dr. Manfred Steller
T +43 316 4120-541
M +43 664 73445355
manfred.steller@oeaw.ac.at
Kontakt RUAG Space
RUAG Space Austria, Stachegasse 16, 1120 Wien
Christian Thalmayr
Tel.: +43 664 887 478 76
christian.thalmayr@ruag.com