Erster "Austro"-Meteorit seit 1977 in der Steiermark geborgen

Am 4. Juli ist ein 233 Gramm schweres Fragment eines Meteoriten in der Gemeinde Kindberg (Steiermark) gefunden worden. Beim nunmehr "Kindberg-Meteorit" genannten außerirdischen Ankömmling handelt es sich erst um den achten derartigen Fund in Österreich in den vergangenen 250 Jahren und den ersten seit 1977. Das ist eine "Sensation für Österreich", sagte der Kurator der Meteoritensammlung des Naturhistorischen Museums (NHM), Ludovic Ferrière, zur APA.

Auch aus wissenschaftlicher Sicht handle es sich bei dem Fund des laut ersten Analysen am NHM eigentlich gewöhnlichen Chondriten jedenfalls um einen "Glücksfall". Ein solcher ist aber auch bereits das Auffinden des Meteoritenstückes selbst. Am 19. November des Vorjahres um 04.46 Uhr war eine Feuerkugel über Österreich zu sehen. Rasch gingen damals bei Ferrière zahlreiche Meldungen über Beobachtungen der raren Erscheinung ein. Es gab auch Berichte über laute Explosions- und Rumpelgeräusche und Sichtungen eines Staubschweifs. Registriert wurden die nächtlichen Vorkommnisse auch von einer Reihe von spezialisierten Meteorkameras des "AllSky7" Feuerballnetzes, des FRIPON (Fireball Recovery and InterPlanetary Observation Network) Meteorbeobachtungsnetzwerks und des Europäischen Feuerkugelnetzes.

In Auswertungen des Netzwerks unter der Leitung von Pavel Spurný von der Akademie der Wissenschaften der Tschechischen Republik konnte schnell ermittelt werden, was beim Durchgang durch die Erdatmosphäre geschehen sein musste. Die Wissenschafter schätzten das ursprüngliche Gewicht des Himmelskörpers auf etwa 270 Kilogramm. 24 Sekunden war der Brocken als Leuchterscheinung sichtbar, als er von einer Höhe von 100 Kilometern Höhe auf 25 Kilometer fiel. Bei der geschätzten Geschwindigkeit von 14 Kilometern pro Sekunde verglühte allerdings der Großteil der Masse. Der Rest müsste demnach in meist kleinen Bruchstücken in einem rund 50 Kilometer langen und bis zu drei Kilometer breiten Berggebiet zwischen den Gemeindegebieten von Lunz am See (NÖ) und dem steirischen Kindberg niedergegangen sein.

Suche nach Überbleibseln

Ferrière trommelte umgehend ein kleines Team zusammen, das sich in besagtem Gebiet auf die Suche nach Überbleibseln machte. Hier habe es sich um Bürgerwissenschaften oder neudeutsch "Citizen Science" par excellence gehandelt - ein Ansatz, der in seinem Forschungsfeld viel Tradition habe, sagte der Forscher. Fündig wurde man allerdings damals nicht. Die lokale Bevölkerung sollte aber in der Folge nach charakteristisch schwarz gefärbten Gesteinsbrocken Ausschau halten. Es entspann sich nämlich auch ein kleiner Wettlauf gegen die Zeit, denn je länger ein Einschlag zurückliegt, desto eher wird er von der Vegetation überwuchert oder es ändert sich das Erscheinungsbild der in der Regel ungewöhnlich aussehenden Steinbrocken mit schwarzer Außenhülle.

"Mehrere Dutzend Personen haben uns im Museum kontaktiert, seit die Feuerkugel gesehen wurde, aber keiner der gefundenen Steine war ein Meteorit", so der Wissenschafter. Schlussendlich meldete sich acht Monate nach dem Fall eine Person, die mit Ferrière bereits bei den ersten Suchen in Kontakt war, mit dem entscheidenden Fund. Sogleich fuhren Ferrière und seine Kollegin Julia Walter-Roszjár nach Kindberg, um das Gestein zu untersuchen und weiter zu suchen. Das zerbrochene Gestein zeigt tatsächlich die typisch schwarze Schmelzkruste und ein graues Inneres mit glänzenden Metallkörnern sowie einige dünne Schmelzadern, so die Wissenschafter.

Weitere Stücke fanden sich jedoch bisher nicht. "Es müsste dort aber noch mehr sein. Denn auf dem Video vom Absturz sieht man, dass es Fragmentierungen gab", sagte Ferrière. Das nunmehrige Stück habe sich zwar exakt in dem Gebiet befunden, das die Analysen nahelegten. Dass sich weitere Fragmente in der bergigen Region zeitnah finden lassen, sei aber fraglich - auch weil sich bereits viele Leute aus zahlreichen Ländern an Suchen beteiligt haben.

Der Kindberg-Meteorit
Bei der geschätzten Geschwindigkeit von 14 Kilometern pro Sekunde verglühte der Großteil der Masse (APA/NHM/LUDOVIC FERRIÈRE)

Ausnahmefund

Für Österreich ist der Fund "erst die Nummer acht und damit eine echte Ausnahme", betonte Ferrière. Obwohl man weltweit mehrere zehntausend Meteoriten gefunden hat, ist der Fall hier im internationalen Vergleich doch außergewöhnlich. So konnte auf Basis der zahlreichen Beobachtungen der Orbit des ursprünglichen Objekts um die Erde berechnet werden. Das war bisher nur bei rund 40 derartigen Begebenheiten von ungefähr 60.000 der Fall. Nach dem Fund der ersten Überreste könne man dazu auch weitere Daten liefern, freute sich der Wissenschafter.

In vielen Fällen habe man nur das Material zur Analyse, ohne zu wissen, wo es genau gefunden wurde, so der Geologe. Beim "Kindberg-Meteorit" handle es sich um einen Vertreter der Apollo-Asteroiden. Damit stammt er aus der gleichen Gruppe wie jener, aus der der im Februar 2013 spektakulär gefallene Chelyabinsk-Meteorit stammte. Dieser hatte immerhin einen Durchmesser von rund 20 Metern, als er über Russland abstürzte. Diese Gruppe lasse sich laut Ferrière quasi anhand von Proben "zurückverfolgen. Es ist ein klein wenig so, als ob man eine gratis Rückkehr-Raumfahrtmission von einem Asteroiden bekommt". Solche Missionen verheißen das Mitbringen weniger Gramm an Proben, jedoch bei einem finanziellen Aufwand in der Höhe vieler Millionen Euro.

Da das Ereignis von so vielen Menschen in Österreich registriert wurde und nun auch einen neuen "Austro"-Meteoriten zutage gefördert hat, erhofft sich der Kurator künftig mehr Aufmerksamkeit für das Gebiet auch bei jungen Menschen. Damit bald mehr dieser spektakulären Himmelserscheinungen registriert werden, setzen sich Wissenschafter weiter für den Ausbau eines Netzes an Himmelsbeobachtungskameras ein. "Morgen bekomme ich fünf weitere solche Kameras", sagte Ferrière.

Der Meteorit wurde unterdessen bei der Meteoritical Society zur Genehmigung eingereicht. Nach dem positiven Bescheid wird er dann offiziell als "Kindberg-Meteorit" geführt. Sollte in dem Fundgebiet noch verdächtiges Material auftauchen, bitten die Forscher um Meldungen über die Museums-Website.