Weltraumtechnik für den Alltag
Die Steiermark gilt seit rund dreißig Jahren als Hotspot österreichischer Weltraumforschung. Wie sieht denn die internationale Sichtbarkeit aus?
Die internationale Sichtbarkeit ist in der fachlichen Szene sehr gut. Vor allem in Europa, wenn wir an die ESA denken, haben Graz und die JOANNEUM RESEARCH einen sehr guten Namen. Unser Ruf geht natürlich über die ESA hinaus. Sei es das Rutherford Appleton Laboratory (UK), das Deutsche Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) oder prominente Europäische Universitäten ‒ man kennt uns sowohl als Mitbewerber als auch als Partner. Natürlich tragen die anderen heimischen Forschungsinstitutionen wie das IWF der Österreichischen Akademie der Wissenschaften, die TU Graz oder die Universität Graz zur internationalen Sichtbarkeit bei. Über Europa hinaus wird es schon etwas differenzierter. Unsere 2D-Video-Distrometer, die wir in Kleinserie bauen, sind etwa bei der NASA im Einsatz. Wir haben aber auch Aufträge aus Asien. Für die breite Öffentlichkeit sind wir eher anlassbezogen wahrnehmbar, wie zum Beispiel vor kurzem mit dem Launch des W-CubeSat oder mit der Bildauswertung vom Mars-Rover.
Weltraumthemen, wie zuletzt die Landung des Mars-Rovers oder Weltraumtourismus, erfreuten sich in jüngster Vergangenheit eines breiten medialen Echos. Was macht Weltraumthemen so attraktiv?
Das liegt an der Exzellenz und Einzigartigkeit der Forschung. Vor allem aber strahlt Weltraum in unserer von Informationen überfluteten Gesellschaft immer noch eine enorme Faszination aus. Wir versuchen sozusagen über den Tellerrand hinauszusehen und der Frage nachzugehen, was denn da draußen ist.
Sie haben mit ihrem Team herausragende Innovationen hervorgebracht, Stichworte sind W-CubeSat, 2D-Video-Distrometer oder die Infrastruktur der Hilmwarte. Was kommt als nächstes, was ist ihre Vision?
Wir verfolgen seit Jahrzehnten einen roten Faden. Auch wenn wir immer versuchen mit Nischenprodukten Erfolge zu erzielen, geht es doch um Signalverarbeitung, die man immer schneller und breitbandiger macht. In dem Bereich starten wir gerade zwei themenverwandte Projekte mit einem Gesamtprojektvolumen von 900.000 Euro. Daraus soll eine Plattform hervorgehen, im Rahmen derer Anwender*innen breitbandige, schnelle Signalverarbeitung testen können. Unser zweites Steckenpferd ist die Navigation. Auch in dem Bereich sind wir dran, neue Kleinserien zu produzieren. Das ist für uns für den Selbstfinanzierungsgrad und den kommerziellen Erfolg sehr wichtig.
Sie leiten eine erfolgreiche, internationale Forschungsgruppe. Was macht ihr Team so stark?
Die Stärke liegt in der fachlichen Kompetenz, das ist die Grundvoraussetzung. Und wir sind sehr gut im Orten aktueller Bedarfe. Wir stellen uns laufend die Frage, wo wir etwas bewirken können, in welchem Bereich können wir Kleinserien bauen und welche Nischen können wir nutzen. Was mich sehr stolz macht, ist der Teamgeist. Wir sind ein wirklich gutes ‚Wir'.
Großes Thema Nachhaltigkeit: Wie passen Weltraumtechnologien und Nachhaltigkeit zusammen?
In unserer Gruppe geht es hauptsächlich um Satelliten- und Navigationsdienste, also Weltraumtechnik für den Alltag. Und damit sind wir schon bei der Nachhaltigkeit, denn mit diesen Technologien werden zum Beispiel internationale Online-Meetings einfach ermöglicht, ohne Reiseverkehr. Mit Satellitenkommunikation kommt man an jeden Punkt der Erde. Und mit Navigationstechniken lassen sich Strecken verkürzen.
Nehmen wir an, Weltraumreisen wären möglich und einfach zu machen. Was würden Sie gerne sehen und erleben?
Ich würde meinen, der Blick auf unsere Erde aus dem All ist sicher etwas sehr Besonderes und verändert buchstäblich den Horizont. Und ich würde gerne erleben, wie sich Schwerelosigkeit anfühlt.