Countdown für den Flug ins Jupitersystem - Österreich an Bord von JUICE

Am 13. April 2023 soll die europäische Raumfahrtsonde JUICE zum Gasplaneten Jupiter aufbrechen. Österreich ist eines von 23 Ländern, das mit Industrie, Technologie, Wissenschaft und Forschungs­infrastruktur an JUICE beteiligt ist.

Jupiter ist der größte Planet in unserem Sonnensystem und unterscheidet sich deutlich von der Erde. Jupiter ist ein Gasriese und wird von über 60 Monden umkreist. Die Robotersonde "JUICE" (Jupiter Icy Moons Explorer) wird Jupiter und drei seiner größten Monde, die innere Wasserozeane beherbergen sollen, erforschen. Wo sich Wasser befindet, könnte auch außerirdischer Lebensraum sein.

Die vier größten galileischen Monde - Kallisto, Ganymed, Europa und Io
„Familienporträt“ von Jupiter mit seinen vier größten Monden (von oben nach unten) Io, Europa, Ganymed und Kallisto (Quelle: NASA/JPL/DLR)

Auf der Suche nach möglichen Lebensräumen unter dem Eis

Jupiter ist mit einem Äquatordurchmesser von rund 143.000 Kilometern der größte Planet in unserem Sonnensystem und hat darin eine wichtige Funktion. Der Gasriese stabilisiert durch sein Gravitationsfeld den Asteroidengürtel. Ohne Jupiter würde statistisch gesehen alle 100.000 Jahre ein Asteroid aus dem Asteroidengürtel die Erde treffen und unser Leben bedrohen.

Insgesamt sind im Jupitersystem mehr als 60 Monde bekannt. Die vier größten sogenannten Galileischen Monde - Kallisto, Ganymed, Europa und Io - mit Durchmessern zwischen 5262 und 3122 Kilometer wurden bereits 1610 von Galileo Galilei entdeckt.

JUICE wird die drei erstgenannten Monde genauer ins Visier nehmen, da unter ihrer äußeren Eisschicht Wasser und damit potenzieller Lebensraum vorhanden ist. JUICE wird diese faszinierenden Welten genauer erforschen, um unter anderem mehr über die Größe und Zusammensetzung der Ozeane zu erfahren.

Eine lange Reise mit mehreren Premieren

Insgesamt wird JUICE acht Jahre unterwegs sein, bevor die Raumsonde im Juli 2031 das Jupitersystem erreicht, um dort dreieinhalb Jahre verschiedenste Messungen durchzuführen. 

Im Dezember 2034 verlässt JUICE die Jupiter-Umlaufbahn und schwenkt in eine stabile Umlaufbahn um Ganymed ein. Am Ende der Mission wird die Raumsonde auf der Oberfläche des Mondes zum kontrollierten Absturz gebracht.

JUICE muss mehrere Vorbeiflüge an Erde, Mond und Venus absolvieren, um eine höhere Geschwindigkeit zu erreichen und die notwendigen Kursänderungen durchführen zu können. Mehr als die Hälfte des Startgewichts von 5,2 Tonnen ist Treibstoff, mit dem JUICE bis zum Ende der Mission auskommen muss.

Die komplizierte Flugbahn mit mehreren Vorbeiflügen ist ein notwendiger Kompromiss, um Treibstoff zu sparen. JUICE ist die erste Raumsonde, die das sogenannte Gravity-Assist-Manöver bei Mond und Erde in einem kombinierten Vorbeiflug machen wird und die erste, die mit Ganymed einen anderen Mond als unseren eigenen umkreist.

Fokus: Ganymed

JUICE wird insgesamt 35 Vorbeiflüge an den drei Eismonden Kallisto, Ganymed, Europa absolvieren und ihnen dabei bis auf wenige hundert Kilometer nahekommen. Damit kann die Raumsonde sehr exakte Messungen von Magnetfeldern, Gravitationsfeldern und geladenen Teilchen in der Umgebung durchführen sowie die Oberfläche mit Kameras und Spektrometern in einem weiten Wellenlängenbereich untersuchen.

Primäres Ziel ist jedoch Ganymed, der größte Mond des Gasriesen Jupiters und der einzige Mond im Sonnensystem, der sein eigenes Magnetfeld erzeugt.

Österreich an Bord von JUICE

JUICE wird zehn hochmoderne Instrumente an Bord haben - darunter die leistungsstärksten Nutzlasten, die jemals ins äußere Sonnensystem geflogen sind. Neun der Instrumente werden von europäischen Partnern geleitet und eines von der NASA. Österreich ist eines von 23 Ländern, das an JUICE beteiligt ist - mit Industrie, Technologie, Wissenschaft und Forschungsinfrastruktur.

Thermalisolation

Beyond Gravity Austria (vormals RUAG Space Austria) mit Sitz in Wien-Meidling ist mit rund 42 Millionen Euro Umsatz (2022) und rund 240 Mitarbeitenden das größte österreichische Weltraumtechnikunternehmen.

Das Hochtechnologieunternehmen rüstet weltweit Satelliten und Trägerraketen mit Elektronik, Mechanik und Thermalisolation aus und hat eine Exportquote von rund 100 Prozent. Die Firma ist in Europa Marktführer bei Navigationsempfängern und Thermalisolation für Satelliten.

Während der mehr als zehn Jahre im Weltraum wird die Jupitersonde von Thermalisolation aus Österreich vor Hitze und Kälte im All von plus/minus 230 Grad Celsius geschützt. Die Thermalisolation besteht aus mehreren Schichten hauchdünner Spezialkunststofffolien, die im Vakuum des Weltraums die Isolationswirkung einer meterdicken Ziegelmauer erzielen.

sagt Kurt Kober, Geschäftsführer Beyond Gravity Austria und Leiter des globalen Elektronikbereichs bei Beyond Gravity.

Produziert wurde der Thermalschutz am Thermalproduktionswerk von Beyond Gravity in Berndorf, Niederösterreich. Der Auftragswert umfasste mehrere Millionen Euro.

Fast alle Satelliten der europäischen Weltraumorganisation ESA werden durch Thermalisolation aus Berndorf vor den extremen Temperaturen im All geschützt.

Kurt Kober

100 Kilo Thermalschutz

Die Raumsonde wiegt etwa 2,4 Tonnen (ohne Treibstoff). Die Gesamtmasse der Thermalisolation allein beträgt 100 Kilogramm. Insgesamt haben Mitarbeitende von Beyond Gravity Austria dabei mehr als 500 Einzelteile der Thermalisolation an der Raumsonde installiert, von einfacher aluminisierter Polyesterfolie im Inneren des Satelliten bis zu mehrlagiger Außenisolierung, die aus mehr als 20 Lagen beschichteter Polyimidfolie besteht.

Die Anzahl der Einzelteile ist um ein Vielfaches höher als bei anderen ESA-Raumsonden, um den extremen Umweltbedingungen zu widerstehen, denen die Sonde ausgesetzt sein wird.

Thermalexperte Christian Ranzenberger-Stindl von Beyond Gravity Austria

Test- und Telekommunikationstechnologie

Wenn JUICE in Französisch-Guayana auf der Startrampe steht und der Countdown läuft, wird die Raumsonde mittels Technologie der Firma Terma mit Strom versorgt. Das Testen der Funkverbindung zum Auslesen der wichtigsten Parameter über den "Gesundheitszustand" des Satelliten, zur Steuerung von JUICE und die Überprüfung des Downlinks der Instrumentendaten zur Erde erfolgen über ein in Österreich entwickeltes hoch-zuverlässiges und präzises Testequipment.

Die Test- und Telekommunikationstechnologie von Terma begleitet JUICE schon über viele Jahre und erstreckt sich vom Zusammenbau der ersten Satellitenmodule bis zu dem Zeitpunkt, wo der Satellit die Erde an Bord der Ariane-5-Rakete verlässt.

Hans Martin Steiner, Leiter der Abteilung für Bodensysteme

Kalibrierung der Magnetfeldsensoren

GeoSphere Austria ermöglichte die Kalibrierung der Magnetfeldsensoren im Conrad Observatorium. Dieses befindet sich ca. 50 Kilometer südwestlich von Wien auf dem Trafelberg, Niederösterreich, knapp über 1000 m Seehöhe und ist fast zur Gänze unterirdisch angelegt. Das garantiert, unter anderem, über das ganze Jahr hinweg konstante Temperaturbedingungen für die eingesetzte Messtechnik.

Die Abgeschiedenheit des Standortes bietet eine magnetisch völlig ungestörte Umgebung, die gemeinsam mit dem Betrieb von hochgenauen Referenzgeräten die geforderte Genauigkeit bei der Kalibrierung der JUICE-Magnetfeldsensoren ermöglichte.

Roman Leonhardt, Leiter des Conrad Observatorium

Vergoldetes Modell der Raumsonde
Vergoldetes JUICE-Modell, mit dem am IWF die Antennen des Radiowelleninstruments kalibriert wurden (Quelle: G. Fischer/IWF/ÖAW)

Grazer Instrumentbeteiligung

Das Institut für Weltraumforschung (IWF) der Österreichischen Akademie der Wissenschaften (ÖAW) ist insgesamt an drei Instrumenten beteiligt. Das IWF kalibrierte die Antennen des Radiowelleninstruments mittels numerischer Simulationen eines Computermodells und einer experimentellen Methode, bei der ein metallisches, vergoldetes Modell der Raumsonde im Maßstab 1:40 verwendet wurde.

Magnetometer Teile
Flugmodell des Grazer Quanteninterferenz-Magnetometers (Quelle: MAGSCA-Team/IWF/ÖAW, CC BY 4.0)

Außerdem ist das IWF rein wissenschaftliches Mitglied im Team des Teilchenspektrometers. In Kooperation mit dem Institut für Experimentalphysik der TU Graz wurde ein neuartiges Quanteninterferenz-Magnetometer entwickelt. 

Das Grazer Instrument ist Teil eines 3-Sensoren-Magnetometers, das zusammen mit dem Imperial College London und der TU Braunschweig gebaut wurde, um speziell die Ozeane unter der eisigen Oberfläche der Jupitermonde zu untersuchen.

Die Eismonde bewegen sich durch das Magnetfeld des Jupiters. Dadurch werden im flüssigen Wasser unter dem Eis elektrische Ströme induziert, die ihrerseits Magnetfelder erzeugen.

Mit der Magnetfeldmessung können wir sprichwörtlich in die Monde hineinschauen. Je genauer wir das Magnetfeld kennen, umso besser lassen sich die tiefliegenden Ozeane erforschen.

Werner Magnes, Leiter der Magnetometer-Gruppe am IWF

Der Grazer Sensor sitzt am Ende eines zehn Meter langen Auslegers der Sonde (Video 1), damit er den magnetischen Störungen durch den Satelliten möglichst wenig ausgesetzt wird.

Der 10 Meter lange Ausleger mit den Magnetfeldsensoren beim Ausklapptest

Das Video wird über Youtube bereitgestellt, dabei wird eine Verbindung zu den Servern von Youtube hergestellt (sh. Datenschutzerklärung).

Die TU Graz entwickelte die optische Quanten-Sensorik des Magnetometers, das IWF steuerte die weltraumtaugliche Elektronik bei. Der Sensor muss extrem robust sein und unter seinem Thermalschutz Temperaturen zwischen +90 °C und -180 °C aushalten.

Unser Sensor verwendet mehrfach moduliertes Laserlicht, um das Magnetfeld in einer mit Rubidium gefüllten Glaszelle zu messen. Das angewandte Messprinzip ist dem einer Atomuhr nicht unähnlich.

Projektleiter Roland Lammegger von der TU Graz

Die Präzision des Grazer Sensors ermöglicht die Messung kleinster Magnetfeldschwankungen, aus denen die Größe der Ozeane bestimmt werden kann. „Indem wir Daten der anderen Instrumente mit IWF-Beteiligung mit einbeziehen, lässt sich auch der Salzgehalt unter dem Eis genauer ermitteln", ergänzt Magnes. Das Grazer Team spielt damit eine zentrale Rolle bei dieser großen Wissenschaftsmission.

JUICE und auch zukünftige Missionen zu den Eisriesen unseres Sonnensystems sind unerlässlich, um diese individuellen Objekte und die Entstehung des Sonnensystems zu verstehen. Diese Forschung ist wesentlich für die Beantwortung der Frage nach der Vielfalt planetarer Spezies innerhalb und außerhalb unseres Heimatplanetensystems.

IWF-Direktorin Christiane Helling

Finanzierung

Die Industriebeiträge von Beyond Gravity Austria und Terma wurden aus dem ESA-Pflichtbeitrag Österreichs finanziert. Entwicklung und Bau der wissenschaftlichen Instrumente wurden von der Agentur für Luft- und Raumfahrt (ALR) der Österreichischen Forschungsförderungsgesellschaft (FFG) über das Wahlprogramm PRODEX der ESA sowie das nationale Weltraumprogramm ASAP ermöglicht.

Die ESA- und ASAP-Mittel wurden vom Bundesministerium für Klimaschutz, Umwelt, Energie, Mobilität, Innovation und Technologie bereitgestellt. Die komplementäre Finanzierung der Instrumente wurde durch die ÖAW und die TU Graz ermöglicht, deren zuständiges Ministerium das Bundesministerium für Bildung, Wissenschaft und Forschung ist.

Wir sind sehr stolz darauf, dass wir die substanzielle Beteiligung Österreichs an dieser außergewöhnlichen Mission ermöglichen konnten und mit einem ausgewogenen Mix an ASAP- und ESA-Finanzierung die Mission seit mehr als 10 Jahren intensiv betreuen. Die JUICE-Mission ist ein weiterer Meilenstein in der österreichischen Raumfahrt, die einmal mehr die nationale wissenschaftliche Exzellenz und Wettbewerbsfähigkeit unterstreicht.

Klaus Pseiner, Geschäftsführer der Österreichischen Forschungsförderungsgesellschaft FFG

Veranstaltungshinweis

Gemeinsam mit der FFG laden die österreichischen Akteure ein, den Start live am IWF anzusehen und alles Wissenswerte über die Jupitermission JUICE zu erfahren: JUICE Launch Event auf der IWF/ÖAW Website.

Für alle, die nicht persönlich teilnehmen können, wird die Veranstaltung auch per Live-Stream übertragen.