Mit "SatGrass" das Gras wachsen sehen

Nur vom Weltraum aus hat man alle 1,34 Mio. Hektar Grünland in Österreich im Blick. Wie sich die Daten der Copernicus-Mission der ESA für Landwirtschaft und Agrarpolitik nutzen lassen, wird im Projekt "SatGrass" untersucht.
Verlauf von Ertrag und Qualität (Rohproteingehalt) im 1. Aufwuchs
Verlauf von Ertrag und Qualität (Rohproteingehalt) im 1. Aufwuchs (SatGRass-Pilotstudie, HBLFA Raumberg-Gumpenstein, 2020)

Rund die Hälfte der landwirtschaftlich genutzten Flächen in Österreich sind Grünland: 1,34 Mio. Hektar liefern die Futtergrundlage für 53.000 heimische Viehwirtschaftsbetriebe. Das Projekt „SatGrass" erforscht, wie sich der optimale Zeitpunkt für eine Mahd mittels Satellitendaten bestimmen lässt. Außerdem könnte auf diesem Weg der Grünlandertrag mit seinen jährlichen Schwankungen für die verschiedenen Regionen Österreichs genauer bestimmt werden als bisher.

„Den optimalen Zeitpunkt für den Schnitt einer Grünlandfläche zu finden, ist keine triviale Aufgabe", sagt Andreas Schaumberger, wissenschaftlicher Leiter von „SatGrass". Der Grund: Je länger das Gras auf einer Weide oder Wiese wächst, desto stärker nimmt die Qualität ab, da sich die Strukturen in den pflanzlichen Zellen mit zunehmendem Alter stärker ausbilden. Während es bei diesem Prozess zur vermehrten Einlagerung von Lignin kommt, nehmen der Nährstoffgehalt und die Verdaulichkeit des Grundfutters kontinuierlich ab. Am proteinreichsten ist das Futter zu Beginn eines Aufwuchses, aber da ist der Ertrag noch gering. Das bedeutet, das optimale Verhältnis zwischen Ertrag und Qualität stellt sich in einem Zeitfenster ein, ab dem die Gräser in die Phase des Ähren-/Rispenschiebens kommen und das bis zur Blüte reicht. Und diese Zeitfenster wollen die Forscher an der Abteilung für Grünlandmanagement und Kulturlandschaft der Höheren Bundeslehr- und Forschungsanstalt (HBLFA) Raumberg-Gumpenstein im obersteirischen Ennstal, der BOKU und TU Wien sowie der ZAMG mittels Satellitendaten für potenziell jede Grünlandfläche in Österreich bestimmen.

In einer eigenfinanzierten dreijährigen Pilotstudie wies das HBLFA-Team gemeinsam mit Forschern der BOKU bereits nach, dass es prinzipiell möglich ist, die Entwicklung von Ertrag und Qualität im Grünland mit Sentinel-Daten der europäischen Copernicus-Mission abzuschätzen. Im Folgeprojekt „SatGrass", das aus Mitteln des österreichischen Weltraumprogramms ASAP finanziert ist und bis 2023 läuft, werden die Erkenntnisse nun vertieft und verfeinert, indem für die Modellierung nicht nur einer, sondern weit über 150 Standorte einbezogen werden. Mit an Bord sind als Projektkoordinator die Österreichische Arbeitsgemeinschaft für Grünland und Viehwirtschaft (ÖAG) sowie die Universität für Bodenkultur Wien (BOKU), die Technische Universität Wien und die Zentralanstalt für Meteorologie und Geodynamik (ZAMG). „SatGrass" steht für „Satellite-based modelling of grassland yield and quality dynamics".

Daten aus dem Weltraum, aus der Wetterbeobachtung und von Partnern vor Ort

Mit den hochauflösenden Daten der Satellitenpaare Sentinel-1 und Sentinel-2 hat man Österreichs Grünland in einem Intervall von rund 5 Tagen im Blick. Allerdings können die Satellitenmessungen beeinträchtigt werden: In Radaraufnahmen von Sentinel-1 kann Bodenfeuchtigkeit zu verfälschten Daten führen, bei den Spektralmessungen von Sentinel-2 stellen Wolken eine Barriere da. Daher werden bei „SatGrass" die Satellitenbilder beider Systeme gemeinsam ausgewertet und zusätzlich noch mit Wetterdaten wie Temperatur, Strahlung und klimatischer Wasserbilanz kombiniert, um zu aussagekräftigen Prognosen über den idealen Schnittzeitpunkt zu gelangen. Die gesammelten Daten werden mit Messungen am Boden abgeglichen. An die 170 Grünlandflächen in allen relevanten österreichischen Klimaregionen hat das Projektteam in den kommenden zwei Jahren im Blick.

SatGrass Karte
SatGrass Karte (SatGRass-Pilotstudie, HBLFA Raumberg-Gumpenstein, 2020)

„Der Maschinenring bildet hier eine ganz wesentliche Stütze, indem er mit etwa 100 Grünlandbetrieben ein dichtes Netzwerk an Beobachtungsstandorten bereitstellt", unterstreicht Andreas Schaumberger. „Landwirtschaftliche Schulen in ganz Österreich sind ebenfalls wichtige Partner, die Ertragsdaten auf ihren Flächen sammeln und so die Aussagekraft der Modelle weiter verbessern. Die Beprobung ist sehr aufwendig, da nicht nur zu den Ernteterminen, sondern alle zwei Wochen Daten zu Biomasse, Qualität, Wuchshöhe und Bestand gesammelt werden, um damit die Entwicklung des Pflanzenbestandes im Verlauf eines Aufwuchses zu erfassen." – Die Bodendaten werden mittels Smartphone-App in den Projektdatenpool gespeist.

Nutzen für Betriebe und Agrarpolitik

Wenn „SatGrass" die erwarteten Ergebnisse bringt, könnten sich in Zukunft sowohl für Landwirte als auch für die Beratung und die Agrarpolitik neue Möglichkeiten auftun. Andreas Schaumberger: „Die Schätzung der Ertrags- und Qualitätsentwicklung im Grünland auf Basis von Satelliten- und Wetterdaten kann Landwirte in Zukunft bei der Wahl eines optimalen Schnittzeitpunktes unterstützen." – Und für die Agrarpolitik ist das Projekt interessant, weil Grünlanderträge bisher auf Basis von Stichproben und Schätzungen erfasst werden, die jedoch die vielfältigen Einflüsse unterschiedlicher Regionen und außergewöhnlicher Witterungen nicht vollständig abdecken können. Mit aussagekräftigen Satellitendaten lassen sich die Erträge künftig mit höherer Genauigkeit bestimmen und vor allem die regionalen Einflüsse des Klimas und Wetters auf den Ertrag, hier sind vor allem Dürreperioden zu nennen, besser berücksichtigen.

Kontakt zum Projektteam

Dr. Andreas Schaumberger

HBLFA Raumberg-Gumpenstein
Institut für Pflanzenbau und Kulturlandschaft
Grünlandmanagement und Kulturlandschaft
Tel.: +43 3682 22451 315
E-Mail: andreas.schaumberger@raumberg-gumpenstein.at