Designierter ESA-Chef Aschbacher will "näher an das NASA-Niveau"
Aschbacher war am 17. Dezember vom ESA-Rat zum neuen ESA-Chef bestellt worden, er tritt sein Amt Anfang Juli 2021 an. Der 58-jährige Tiroler ist derzeit ESA-Direktor für Erdbeobachtungsprogramme und Leiter von ESRIN, dem ESA-Zentrum für Erdbeobachtung bei Rom. Er nehme die Arbeit "mit Ehrfurcht und Demut an" und gehe "voller Ideen und Motivation" an den Job, sagte er und dankte Gewessler und Klaus Pseiner, Geschäftsführer der Forschungsförderungsgesellschaft FFG und Österreichs Repräsentant im ESA-Rat, für die Unterstützung seiner Kandidatur.
"Europa auf die nächste Stufe bringen"
Im APA-Interview sagte Aschbacher, dass das "gleiche Niveau wie die NASA realistischerweise natürlich nicht machbar" sei, "aber ich will Europa näher an die NASA heranbringen". Seine Vision sei es, "den Weltraum in Europa wichtiger zu machen, nämlich so wichtig, dass seine Bedeutung in etwa auf das Niveau von Amerika und China kommt". Europa sei als Wirtschaftsmacht und als politischer Block mit diesen beiden Blöcken gleichzusetzen, "aber der Weltraum leider nicht vergleichbar, hier sind die Investitionen geringer, aber auch die Bedeutung des Weltraums an sich ist viel geringer".
Gemeinsam mit der EU-Kommission will Aschbacher nicht nur eine Faszination für das All erzeugen, sondern auch Projekte auf die Beine stellen, "vielleicht auch Flagship-Programme in der Größe von 'Galileo' oder 'Copernicus', und damit Europa auf die nächste Stufe bringen". Er wolle noch nicht zu viel dazu sagen, sondern seine Vorhaben am ersten Tag seiner Amtszeit, also dem 1. Juli 2021, vorstellen. "Die Konzepte sind in meinem Kopf, müssen erarbeitet und mit den Mitgliedsländern und der Kommission abgestimmt werden."
Gewessler gratuliert
Die für Weltraumagenden zuständige Klimaschutzministerin Gewessler gratulierte Aschbacher zur einstimmigen Wahl, "es ist eine Ehre und Freude, dass die ESA in den nächsten Jahren von einem so kompetenten Österreicher geleitet wird". Es zeige auch, dass Österreich in der Weltraumforschung sehr aktiv sei, und diese sei von ganz besonderer Bedeutung, insbesondere die Erdbeobachtung im Kampf gegen die Klimakrise.
Österreich hat sich für Gewessler seit dem ESA-Beitritt 1987 kontinuierlich "zu einem international anerkannten Partner im Weltraumbereich entwickelt". Ihr Ressort investiere jährlich 70 Mio. Euro in die Erforschung des Weltraums, rund zwei Drittel davon gehen an die ESA. Damit würden auch innovative Unternehmen in Österreich unterstützt, die von den Aufträgen der ESA profitieren. Die Ministerin kündigte an, dass ihr Haus aus dem Konjunkturpaket sechs Mio. Euro in Programme der ESA investieren und damit Spitzenforschung unterstützen werde.
Mit Blick auf die Erde
Ein Schwerpunkt sowohl der Investitionen in die ESA-Programme als auch im österreichischen Weltraumprogramm ASAP sei die Erdbeobachtung. Von den ESA-Aufwendungen würden im Schnitt zehn Mio. Euro pro Jahr in Erdbeobachtungsaktivitäten fließen, beim ASAP sei heuer ein Fördervolumen von 7,7 Mio. Euro für Erdbeobachtung und die Anwendung von Daten und Dienstleistungen aus dem Erdbeobachtungsprogramm von ESA und Europäischer Kommission "Copernicus" vorgesehen. "Dieses Geld hilft uns auch im Kampf gegen die Klimakrise", so Gewessler.
Denn Satelliten wie der kürzlich gestartete "Sentinel 6" würden Daten über die Erde liefern, mit denen man bessere und wirksamere Maßnahmen gegen die Klimakrise setzen könne. Als konkrete Projekte unter österreichischer Leitung nannte sie etwa die Beobachtung der Schneebedeckung der nördlichen Hemisphäre, deren Entwicklung Rückschlüsse auf die Entwicklung des Klimasystems liefere, oder die großflächige Beobachtung der Bodenfeuchte.
Aschbacher hob die große Bedeutung von Weltraumtechnologien für unser aller Leben hervor. Sie würden Informationen liefern, "für Entscheidungsträger, aber auch für den Bürger, um zu verstehen, was auf unserem Planeten passiert, wie er funktioniert und wie man die Zusammenhänge besser verstehen kann" Dadurch könne man bessere Klima-Vorhersagen machen. Satelliten würden auch bei der Überwachung der verschiedenen Klimaabkommen helfen - ein Thema, das ihm selbst "am Herzen liegt. Deshalb freut mich besonders das Ziel, dass Österreich 2040 klimaneutral werden soll, das ist eine Sensation und ich würde gerne helfen, das zu bewerkstelligen", so Aschbacher.
Interview mit Josef Aschbacher:
APA: Sie haben erzählt, dass es schon als Kind ihr Traum war, bei der ESA zu arbeiten - haben Sie sich jemals träumen lassen, dass Sie die ESA leiten?
Aschbacher: Natürlich hat man als Kind große Träume und ich hatte schon den Traum, irgendwann ganz oben bei der ESA sein zu können. Je älter man wird, desto mehr realisiert man, dass das ein irrealistischer Traum ist und es vielleicht doch nicht so einfach ist. Aber der Gedanke war schon seit vielen Jahren tief in mir drinnen. Aber dass es jetzt wirklich so weit gekommen ist, ist natürlich eine kleine Sensation. Ich sehe das als Aufgabe für Europa, um den Weltraum und Europa voranzubringen und auf die nächste Stufe zu heben.
APA: Der amtierende Generaldirektor Jan Wörner hatte die Vision, ein Dorf auf dem Mond zu bauen. Was ist Ihre Vision?
Aschbacher: Ich habe eine Vision, aber ich halte mich noch ein wenig damit zurück. Ganz vereinfacht ist die Vision, den Weltraum in Europa wichtiger zu machen, und zwar so wichtig, dass er in etwa auf das Niveau von Amerika und China kommt. Weil Europa ist als Wirtschaftsmacht, als politischer Block enorm wichtig und gleichzusetzen mit den anderen Blöcken im Osten und Westen. Aber der Weltraum ist leider nicht vergleichbar, hier sind die Investitionen und die Bedeutung an sich viel geringer. Bei der Bedeutung des Weltraums als strategisches Element, als Wirtschaftsfaktor, als Element der Faszination und der Innovation, aber auch wo Neues kreiert wird und neue Möglichkeiten geschaffen werden, da kann Europa einiges nachholen, auch bei der Kommerzialisierung des Weltraums. Das geht aber nicht nur als ESA, sondern das muss man gemeinsam mit der Europäischen Kommission machen.
APA: Was ist dafür notwendig, um auf das Niveau der NASA zu kommen?
Aschbacher: Das Niveau der NASA zu erreichen ist schwer und man muss realistisch sein, das geht auch sicher nicht in meiner Amtszeit. Aber man muss sich immer die NASA als Partner neben einem vorstellen und sehen, wie und was sie gemacht haben - das ist natürlich faszinierend und phantastisch. Wir arbeiten extrem gut zusammen. Ich will Europa näher an die NASA heranbringen, aber das gleiche Niveau ist realistischerweise nicht machbar.
APA: Ist die Wahl eines ausgewiesenen Experten für Erdbeobachtung auch ein Signal für eine inhaltliche Ausrichtung der ESA? Wird der Blick aus dem All auf die Erde verstärkt?
Aschbacher: Die Erdbeobachtung ist bereits das größte Direktorat in der ESA und hat auch das größte Budget. Insofern ist die Erdbeobachtung schon ganz, ganz wichtig und es beteiligen sich auch alle Länder daran. Das wird sicher nicht schlechter werden unter meiner Führung. Im Gegenteil, die Erdbeobachtung ist ein essenzielles Element, gerade für Europa, das eine sehr nachhaltige und klimaorientierte Politik hat. Die Erdbeobachtung ist das Element im Weltraum, das diese Bedürfnisse befriedigen und diese Informationen liefern kann.
APA: Erstmals wird ein Österreicher Generaldirektor der ESA. Wird das auch Auswirkungen auf den österreichischen Raumfahrtsbereich haben?
Aschbacher: Der österreichische Weltraumsektor wird davon hoffentlich profitieren und davon inspiriert werden. Ich hoffe, dass in Österreich dadurch ein Momentum entstehen kann und man von der Faszination profitiert, die vom Weltraum ausgeht. Und ich werde sicher mit Freude hier in Österreich präsentieren, was die ESA und der Weltraum machen können. Nicht nur der Technologie wegen, sondern wirklich für die Menschen, und ich hoffe, dass diese Initiativen, die wir ergreifen werden, auch einen positiven Effekt haben werden auf die Bevölkerung, auf die Programme, die Investitionen, die dann folgen werden. Österreich ist sehr gut, hat eine sehr starke Industrie, ist ein kleines Land, aber die Firmen, die in unseren Projekten mitarbeiten sind sehr zu respektieren, haben Top-Qualität und sind führend in den Bereichen, in denen sie arbeiten.
(Das Gespräch führte Christian Müller/APA)