AlpMon Services: Zeitnahe Schadenserkennung für die Waldwirtschaft
Graz (JOANNEUM) - Die Steiermark ist Österreichs waldreichstes Bundesland. Mehr als 60 Prozent der Landesfläche sind mit Wald bedeckt. Der Wald erfüllt neben seinem Einfluss aufs Klima gleichermaßen soziale und ökonomische Funktionen: Der Wald speichert CO2, schützt vor Lawinen und Muren, bietet einen Erlebnisraum für Freizeitaktivitäten und liefert Nutzholz und Biomasse.
Holz ist ein nachwachsender Rohstoff, ein Wirtschaftsgut, das viele Arbeitsplätze in der Steiermark schafft. Umso weitreichender ist die Gefahr von Schäden, die von Borkenkäfern, Sturmwürfen und einer nicht angepassten Waldbewirtschaftung ausgehen. Der Wald muss daher stets betreut und geschützt werden.
Forscherinnen und Forscher bei DIGITAL, dem Institut für Informations- und Kommunikationstechnologien der JOANNEUM RESEARCH, entwickelten deshalb im Rahmen des Forschungsprojektes AlpMon ein Web-basiertes Service-Portal, wo Waldänderungen auf Basis von aktuellen Satellitenbildern automatisch erkannt werden. Das ermöglicht im Schadensfall, rasch gezielte Maßnahmen ergreifen zu können.
Die Wälder des Alpenraums sind in besonderem Maße vom Klimawandel betroffen, was nach Ansicht von Forstexperten zu einer Zunahme von Katastrophen, wie Sturmwürfen und großflächigem Schädlingsbefall, führen könnte. Sturmholz, das nicht aufgearbeitet wird, ist speziell für Borkenkäfer ein gefundenes Fressen. Die trockenen Sommer der letzten Jahre förderten zudem den Schädlingsbefall durch Borkenkäfer, was speziell im Norden Österreichs zu neuen Rekordmengen an geschädigtem "Käferholz" führte.
Mit Hilfe von nachhaltigen Forstplänen und durch Maßnahmen zur Schadensbegrenzung bemühen sich Forstbehörden und Waldbesitzer stets die sozioökonomischen Funktionen des Waldes zu erhalten und zu verbessern. Doch konventionelle terrestrische Methoden zur Erhebung von Schadflächen sind sehr kostspielig und logistisch aufwändig.
Doch jetzt ist ein neues Zeitalter des Umweltmonitorings angebrochen: Das europäische Erdbeobachtungsprogramm Copernicus liefert seit dem Jahr 2015 circa alle fünf Tage kostenfreie multispektrale Satellitenbilder, die speziell für das Umweltmonitoring und sicherheitsrelevante Fragestellungen genutzt werden können.
Die Bilddaten der Sentinel-2 Mission besitzen eine hohe spektrale, räumliche und zeitliche Auflösung und sind somit ideal für "Monitoring-Systeme" geeignet. Ein Pixel im Satellitenbild entspricht dabei einer Fläche von zehn mal zehn Metern. Inzwischen kommen global viele Petabyte an Bildmaterial zusammen.
Projektleiter Janik Deutscher erklärt: "Diese Fülle an hochauflösenden Satellitenbildern erlaubt uns, neue Bildverarbeitungsmethoden, wie Zeitreihenanalysen, auf Satellitenbilder anzuwenden. Um die großen Datenmengen zu prozessieren, braucht es jedoch spezielle Software und IT-Ressourcen. In Österreich werden die Copernicus Daten bei unserem Projektpartner EODC (Earth Observation Data Centre for Water Resources Monitoring) in digitalen Datenarchiven gespeichert."
Das EODC bietet darüber hinaus eine komplexe IT-Infrastruktur, die es ermöglicht, mit Hilfe spezieller High-Performance-Computing-Software des Projektpartners Catalysts, die riesigen Bild-Datenmengen auch großflächig voll automatisiert zu prozessieren und analysieren.
Die großen Mengen verfügbarer Satellitenbilder lassen sich nun für innovative Waldanwendungen nutzen: Forscherinnen und Forscher der Forschungsgruppe Fernerkundung und Geoinformation am Institut DIGITAL der JOANNEUM RESEARCH, entwickelten im Projekt AlpMon auf Basis aktueller Satellitenbilder der Copernicus Sentinel-2 Mission das AlpMon Service.
Das Forschungsprojekt AlpMon hat zum Ziel, einen Prototyp für ein automatisiertes und auf Satellitenbildern basiertes Waldmonitoring-System zu entwickeln. Das Projekt ist von der Österreichischen Forschungsförderungsgesellschaft mbH (FFG) gefördert. Über ein Online-Nutzer-Portal bietet AlpMon aktuelle Forstkarten zu Waldbedeckung, Baumartenverteilung und Überschirmungsgrad sowie Information zu historischen und aktuellen Waldänderungen an. Das Service ist jedoch vor allem im Akutfall ein gewichtiges Werkzeug.
Projektleiter und Geograph Janik Deutscher: "Unter Verwendung von innovativen Bildverarbeitungsmethoden extrahieren wir aus Satellitenbildern der Copernicus Mission jene Informationen, die Waldbesitzer und Forstbehörden für eine nachhaltige Waldbewirtschaftung oder im akuten Schadensfall benötigen. So können wir rasch neue Befallsflächen von Borkenkäfern oder Sturmschäden aufspüren, ohne wie früher auf teure Befliegungen oder terrestrische Erhebungen zurückgreifen zu müssen. Auch eine automatisierte Abschätzung des Schadholzvolumens oder des jährlichen Holzeinschlags auf Bezirksebene ist durch zusätzliche Einbindung von 3D-Laserscanner-Daten möglich. Über ein einfach zu bedienendes webbasiertes Service Portal können die aktuellen Waldänderungen und diverse Forstkarten abgerufen und visualisiert werden."
Das System benachrichtigt Waldbesitzer und Forstbehörden, wenn in den Satellitenbildern Veränderungen am Wald detektiert wurden. Waldbesitzer und Forstbehörden können sich somit bereits online einen Überblick über den entstandenen Schaden verschaffen und sinnvolle Maßnahmen ergreifen.
Wie wird ein Schaden aufgezeigt? "Basierend auf einer historischen Zeitreihe von Satellitenbildern werden harmonische Modelle gerechnet, die für jedes Pixel und für jeden Tag des Jahres einen Erwartungswert bestimmen. Abhängig von Phänologie und der Baumart sind diese Modelle für jedes Pixel unterschiedlich. Tritt nun ein Schaden durch Sturm, oder Käferbefall ein oder findet ein Holzeinschlag statt, so wird für die betroffenen Pixel eine Abweichung zwischen dem Erwartungswert des Modells und der realen Beobachtung erkannt. Ist diese Abweichung statistisch signifikant und wird auch in der folgenden Aufnahme erneut detektiert, so wird diese Waldänderung als Bild gespeichert und über das Webportal auf der Kartenansicht angezeigt. Dadurch weiß der Waldbesitzer, wo es voraussichtlich zu einem Schaden gekommen und welche Fläche betroffen ist.
Im Akutfall ist bereits ein bis zwei Tage nach der neuesten wolkenfreien Aufnahme mit einer ersten Abschätzung der Schadfläche zu rechnen. Problematisch ist allerdings gerade im alpinen Raum, dass wolkenfreie Beobachtungen durchschnittlich nur circa alle zwölf Tage verfügbar sind.
Unser Ziel ist es, den Zeitraum zwischen Schadereignis und Detektion so weit wie möglich zu verringern, damit Forstbehörden und Forstbetriebe im Akutfall möglichst rasch eine Schadensabschätzung bekommen. Derzeit werden Schadenserhebungen oft mittels teurer Flugzeugbefliegungen durchgeführt und die Schadflächen anschließend aus Luftbildern digitalisiert.
Diese Auswertungen dauern in der Regel weit länger und kosten deutlich mehr als die auf Satelliten basierenden Methoden, die wir im Projekt AlpMon entwickelt haben und nun als Service anbieten."